1-Euro-Jobber auf dem Prüfstand

Um Missbrauch mit den rund 7.500 1-Euro-Kräften vorzubeugen, sollen die jetzt stichprobenartig kontrolliert werden. Lehrergewerkschaft kündigt juristische Schritte gegen die Billigkonkurrenz an

VON RICHARD ROTHER

Sie malern, sie putzen, sie betreuen, sie lehren – gut zwei Monate nach In-Kraft-Treten der umstrittenen Arbeitsmarktreform Hartz IV sind die so genannten 1-Euro-Jobber in vollem Einsatz. Und lösen damit heftige Kontroversen aus. Während sich manche Einrichtungen über die Hilfe durch die Billigkräfte freut, fürchten Verbände und Gewerkschaften vor allem eines: dass reguläre Beschäftigung – finanziert von den Arbeitsagenturen – von Billigjobbern verdrängt wird. Knapp 7.500 1-Euro-Jobber gibt es zurzeit in Berlin, und es sollen noch mehr werden.

Dafür sorgen schon die freien Träger, die die 1-Euro-Jobber vermitteln und dafür – je nach Aufwand und angebotener Weiterbildung – mehr Geld einsacken können, als dem Jobber überwiesen wird. Die Träger zögen wie „Drückerkolonnen durch die Schulen“, habe eine Berliner Schulleiterin berichtet, sagt Ilse Schaad. Die Tarifexpertin der Erziehungsgewerkschaft GEW spricht von einem „klaren Mittelmissbrauch“ durch die 1-Euro-Jobber.

Rund 500 1-Euro-Jobber gibt es nach Schaads Schätzung bereits an den Berliner Schulen – und sie erfüllen Aufgaben, für die eigentlich Lehrer zuständig sind, kritisiert sie. Zum Beispiel hätten 1-Euro-Jobber Vertretungsunterricht gegeben, seien bei der Sprachförderung eingesetzt worden und hätten verhaltensauffällige oder behinderte Kinder betreut. Zur Legitimation werde von den Beschäftigern einfach das Wort „zusätzlich“ vor diese Aufgaben geschrieben. Denn offiziell müssen 1-Euro-Jobs dem Allgemeinwohl dienen, dürfen keine regulären Stellen verdrängen und sollen eben „zusätzlich“ sein.

Ein Beispiel aus der Schule mag verdeutlichen, wie schwer solche Grenzen in der Praxis zu ziehen sind: Zunächst freut sich der Chemie-Lehrer über seinen neuen 1-Euro-Kollegen, denn der säubert nach dem Unterricht die Reagenzgläser und hält das Kartenmaterial in Ordnung. Der Lehrer hat so mehr Zeit für den Unterricht und die Schüler, die – nebenbei bemerkt – auch nicht überfordert wären, würde einer von ihnen in der Pause die Reagenzgläser reinigen.

Hat der Lehrer insgesamt mehr Zeit fürs Lehren, weil er von Aufräum- und Nacharbeiten entlastet wird, ist es nur ein kleiner Schritt, seine Pflichtstundenzahl zu erhöhen. Dies sei bereits in Hamburg geplant, sagt Ilse Schaad. Der Lehrer müsste in einem solchen Fall für dasselbe Geld mehr unterrichten, insgesamt wären weniger Lehrer für die gleiche Anzahl zu unterrichtender Stunde nötig. Der 1-Euro-Jobber hätte zumindest indirekt Lehrer verdrängt, weil weniger neue Lehrer eingestellt werden müssten.

Statt reguläre Stellen und damit Chancen für Arbeitslose zu schaffen, würde ein Teil der Bildungsarbeit von ins Abseits gedrängten Erwerbslosen erledigt. Zugleich dienen die 1-Euro-Jobber als Abschreckung und Disziplinierung für die Nochbeschäftigten, die deren Los unter keinen Umständen teilen wollten. Die GEW will nun „alle juristischen Mittel“ ausschöpfen, um den Einsatz von 1-Euro-Kräften in der Schule zu verhindern, so Schaad. Die Personalräte hätten bereits Klageverfahren eingeleitet, um die entsprechenden 1-Euro-Stellen überprüfen zu können.

Auch die Berliner Wirtschaft fordert mittlerweile stärkere Kontrollen der 1-Euro-Jobs. Es gebe immer häufiger Hinweise, „die auf einen missbräuchlichen Einsatz der 1-Euro-Jobber schließen lassen“, heißt es bei den Wirtschaftsverbänden. Die Ursache für den Missbrauch liege in den nicht funktionierenden Kontrollmechanismen.

Bei den Job-Centern sollen Beiräte geschaffen werden, in denen Vertreter der Gewerkschaften und der Wirtschaft Kontrollaufgaben übernehmen. Zum Teil seien diese Beiräte schon eingerichtet, so der Sprecher der Landesarbeitsagentur, Olaf Möller. Er kündigte zudem stichprobenartige Überprüfungen der 1-Euro-Stellen an. So würden sich Mitarbeitende der Job-Center unangemeldet ein Bild verschaffen. Solche Überprüfungen würden zum laufenden Geschäft gehören, so Möller.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dürfen 1-Euro-Jobber immerhin nicht als so genannte Mobilitätshelfer beschäftigen. Der rot-rote Senat lehnt solche Pläne ab. „Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand sind keine Einsatzbereiche für solche Maßnahmen“, begründete Arbeitsstaatssekretärin Susanne Ahlers jetzt die Ablehnung. Die BVG solle erst den Einsatz von Überhangkräften prüfen.