Keiner schießt schneller

Vor den nächsten Rennen bei der WM rätseln die deutschen Biathleten, wie der Norweger Björndalen wohl zu bezwingen ist. Bevorzugtes Rezept: Unter Druck setzen, dann schlägt er sich vielleicht selbst

AUS HOCHFILZEN JOACHIM MÖLTER

Am Sonntagabend saßen die deutschen Biathleten zusammen und ließen das Wochenende Revue passieren. Die Männer sprachen ein wenig über ihren gelungenen WM-Auftakt in Hochfilzen (Österreich) mit den Medaillen des Oberhofers Sven Fischer (Silber im Sprint und Bronze in der Verfolgung) sowie den Spitzenplätzen von Michael Greis (6. im Sprint und 5. in der Verfolgung) und Ricco Groß aus Ruhpolding (7. und 6.). Am meisten aber redeten sie über den Norweger Ole Einar Björndalen, der die ersten Wettbewerbe gewonnen hatte. Michael Greis wurde das Gerede bald zu viel. „Klar scheint’s so, dass er momentan unschlagbar ist“, gab er zu angesichts von Björndalens imposanter Serie von acht Siegen in Serie seit Mitte Januar. Aber Greis fand: „Das wird ein bisschen übertrieben mit dem Ole-Kult. Es gibt auch noch andere, die gut Biathlon machen.“ Das sehen seine Teamkollegen auch so, und es hätte nur gefehlt, dass einer aufsteht und brüllt: „Und jetzt noch einmal alle zusammen: Der Ole ist nicht unschlagbar!“

Nur: Wie ist er zu schlagen? Und vor allem: Von wem, wenn nicht von ihm selbst? „Es gehört sicher dazu, dass man auf Fehler von ihm warten muss“, sagte Ricco Groß. „Wenn er im Sprint einen Fehler mehr macht, gewinnt er auch nicht“, hatte Groß schon vorher festgestellt, und Michael Greis hatte darauf hingewiesen, dass Björndalen da nur zehn Sekunden schneller war als Fischer: „Läuferisch waren die beiden gleich“, analysierte der Allgäuer, „die zehn Sekunden hat der Ole am Schießstand rausgeholt.“ Da habe der Norweger eine „brutale Form“, erkannte Greis an, er treffe viel sicherer als früher, und dadurch habe er „auch das Selbstvertrauen, die Serie durchzuziehen“. Tatsächlich schießt keiner so schnell wie Einar, der vor dieser Saison einen neuen Coach eigens für das Schießen engagiert hat. Aber Sven Fischer gibt zu bedenken: „Man kann nicht jeden Wettkampf fehlerfrei durchschießen.“

Die Hoffnungen der deutschen Biathleten, den 31-Jährigen in den verbleibenden Wettbewerben (20 Kilometer Einzel am Mittwoch und Massenstart über 15 Kilometer am Sonntag) hinter sich zu lassen, gründen sich also auf banale Erkenntnisse des Sports, speziell die der Skijagd: „Im Biathlon wird man schnell wieder runtergeholt von den Wolken“ (Sven Fischer), denn „ein Treffer mehr oder weniger, und alles ist wieder anders“ (Ricco Groß). Im Moment läuft freilich alles für Björndalen. Bei der Verfolgung am Sonntag „hat sich ja jeder selbst rausgeschossen, er hatte keinen taktischen Druck, dass einer mit ihm mitläuft in der Loipe oder neben ihm steht am Schießstand“, sagt Groß. „Aber wenn der Sven mit ihm in die letzte Runde geht, muss auch der Ole hart arbeiten.“ Dass Fischer läuferisch mithalten kann, bewies er zuletzt Anfang Januar beim Weltcup in Oberhof: Da wurde Björndalen sogar nur Vierter – sein zweitschlechtestes Ergebnis in dieser Saison.

Aber er hat in diesem Winter schon in allen Disziplinen gewonnen: Sprint, Verfolgung, Einzel, Massenstart. Dass trotzdem Sven Fischer das Weltcup-Klassement anführt, liegt einfach daran, dass Björndalen sieben Rennen ausließ. In dieser Zeit versuchte er sich als Langläufer, unter anderem bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf, wo er Elfter über 15 Kilometer wurde. Aber Björndalen sagt: „Ich habe weniger Rennen gemacht und dafür besser trainiert als in anderen Wintern, vielleicht ist deshalb die Form noch so gut.“

Die Form ist auch bei den deutschen Biathleten gut, aber die beziehen ihre Erfolgserlebnisse eher aus Kleinigkeiten. „Es ist immer schön, wenn man sieht, dass er sich auch anstrengen muss“, sagt Sven Fischer. Michael Greis indes ist überzeugt, dass Björndalens Dominanz nicht ewig anhält: „Es werden andere Zeiten auch noch kommen“, sagte er kämpferisch. Bessere Zeiten für sie, glauben die Deutschen natürlich. Bessere für ihn, glaubt Ole Einar Björndalen: „Die besten Ergebnisse kommen erst in Turin.“ Dort werden nächstes Jahr die Olympischen Spiele ausgetragen, aber da kann es nur schlechter werden für ihn: Bei Olympia 2002 in Salt Lake City hat er alles gewonnen.