„So können Sie nicht Vater werden“

Von Test zu Test schlechtere Werte: Wie es sich anfühlt, eingeschränkt zeugungsfähig zu sein

Uns beschlich dieSorge, für ein Kind könnte es vielleicht schon zu spät sein

BERLIN taz ■ „Hatten Sie Stress?“, war die Frage der Urologin, als sie die Ergebnisse meines zweiten Spermatests sah. Im Vergleich zum ersten, zwei Monate zuvor, waren die Werte für Menge, Beweglichkeit und Form meiner Spermien deutlich schlechter.

Ich hatte gerade eine anstrengende mehrwöchige Reise hinter mir. Schon auf dem Hinflug hatte ich mir eine fette Erkältung eingefangen, die ich auf der ganzen Reise nicht mehr loswurde. Als ich nur noch mit Schmerzen sprechen konnte, griff ich zu Antibiotika. So konnte ich alle Termine wahrnehmen, richtig gesund wurde ich allerdings während der Reise nicht mehr. Bei dem feuchtheißen Klima und dem vollen Programm erkältete ich mich immer wieder.

„So können Sie nicht Vater werden“, stellte die Ärztin trocken fest. „Kommen Sie in zwei Monaten wieder, wenn Sie sich und Ihre Spermien regeneriert haben. Dann machen wir einen neuen Test.“

Vor zweieinhalb Jahren hatten meine Freundin und ich aufgehört zu verhüten. Mehrmals waren wir sicher gewesen, dass sie jetzt schwanger sein müsste. Jedes Mal ein Irrtum. Die Enttäuschung wuchs von Mal zu Mal, der Sex wurde zunehmend vom Zyklus diktiert und bekam eine unentspannte Note. Meine Freundin wurde nervös und begann mit Mitte dreißig ihre biologische Uhr ticken zu hören. Sie zu beruhigen fiel immer schwerer. Ich selbst machte mir zunächst weniger Gedanken. Schließlich war es in einer früheren Beziehung schon einmal zu einer Schwangerschaft gekommen. Damals hatten wir uns für eine Abtreibung entschieden. Welche Ironie: Ohne Kinderwunsch war meine frühere Freundin schwanger geworden – trotz Verhütung. Und jetzt sollte es partout nicht klappen?

Nach zwei Jahren vergeblicher Versuche ging ich zum Arzt. Die Ergebnisse des ersten Spermatests waren schon unerfreulich, wenn auch nicht hoffnungslos. „Die Qualität ist nicht besonders gut“, lautete der Befund, „Menge und Beweglichkeit lassen zu wünschen übrig, die Zahl der Deformationen ist hoch.“ Ich wusste, dass bei Männern mit zunehmendem Alter die Spermaqualität immer weiter abnimmt. Aber alt hatte ich mich mit 43 Jahren bisher nicht gefühlt.

Und was bedeutet das Ergebnis nun konkret, fragte ich. Die Ärztin reagierte gelassen: „Sie sind zeugungsfähig. Aber Sie haben eine Oligo-Astheno-Terratozoospermie.“ Das so genannte OAT-Syndrom, erfuhr ich, ist eine der häufigsten Einschränkungen der Zeugungsfähigkeit bei Männern. Verlässliche Aussagen könnten die Ärzte erst nach drei Spermatests im Abstand von jeweils einigen Wochen machen.

Nach dem zweiten, dem schlechteren Ergebnis wuchsen die Zweifel an meiner Zeugungsfähigkeit. Den Kinderwunsch hielten wir erst einmal für unerfüllbar. Von technischen Möglichkeiten, die Trefferquote zu erhöhen, nahmen wir Abstand, bis die Qualität meines Spermas bei weniger Stress hoffentlich bald wieder besser würde. Doch zugleich beschlich uns die Sorge, für ein Kind könne es vielleicht schon zu spät sein. Der Stress ließ sich kaum reduzieren.

Wenig später, nach einem Kurzurlaub, dann doch die gute Nachricht: Wir waren schwanger. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Doch gleich darauf machten wir uns schon wieder Sorgen: Wenn die Qualität der Spermien so schlecht ist – wirkt sich das auf die Gesundheit unseres Kindes aus? Die Ärzte beruhigten uns: Nur ein gesundes Spermium ist befruchtungsfähig. Das OAT-Syndrom reduziert nur die Wahrscheinlichkeit.

Heute denke ich, es war unsere letzte Chance. AXEL WAGNER