Bochum muss sich qualifizieren

Stadt, IHK und Uni träumen von „Bochum 2015“. Die SPD will in Bochum die Landtagswahl gewinnen. Den Wünschen folgen wenig konkrete Vorschläge. Beschäftigung bleibt das Problem

AUS BOCHUMHOLGER PAULER

„Wir sind gut aufgestellt“, ist Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) überzeugt. In Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) mittleres Ruhrgebiet und der Ruhruniversität Bochum hat die Stadt gestern das Handlungspapier „Bochum 2015 – eine starke Stadt“ vorgestellt. Ziel ist es, die strukturellen Veränderungen „nachhaltig“ aufzufangen. „Wir können dabei keine Wunder erwarten“, sagt Scholz. Stimmt, nach knapp einer Stunde war die Veranstaltung beendet. Wer konkrete Lösungen erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Die Beteiligten warnen vor Panikmache: „Die Lichter gehen hier ja noch nicht aus“, sagt Ottilie Scholz – trotz der drastischen Veränderungen bei Opel Bochum. Sollte die Belegschaft dem Abbau von 4.100 Arbeitsstellen zustimmen, gibt es eine Standortsicherung bis zum Jahr 2010. Ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen (momentan 15 Prozent) sei kurzfristig zwar nicht zu verhindern, eine Verschlechterung auf Gelsenkirchener oder Dortmunder Niveau soll aber verhindert werden. Qualifizierung heißt das Zauberwort. Zwei Jahre für jeden Ex-Opelaner. Und die Zulieferer seien ja auch nicht betroffen: Die Stückzahlen der Opel-Produktion bleiben konstant. Dennoch müsse man erkennen, dass Bochum „keine reine Autostadt“ sei, sagt IHK-Geschäftsführer Tillmann Neinhaus. Ein Umdenken, das in den Köpfen der Bochumer nicht so recht stattfinden will.

Allein 20 Einzelmaßnahmen stehen auf dem Programm. Ehrgeizigstes Projekt ist die Kernsanierung der maroden Ruhruniversität, um den Plänen auch einen angemessenen Forschungsbackground zu bieten. „Zehn Jahre oder länger wird der Prozess dauern“, glaubt Rektor Gerhard Möller. Bis auf die beiden Medizingebäude muss der Rest von Grund auf renoviert werden. Ex-Opelaner könnten dabei beschäftigt werden, ist die Hoffnung der „starken“ Bochumer. Das Problem: Die Aufträge müssen EU-weit ausgeschrieben werden. Netter Versuch also. Dazu sei der Neubau eines Gebäudes notwendig, um den Wissenschaftsbetrieb weiterlaufen lassen zu können. Allein 60 bis 70 Millionen Euro werden hierfür veranschlagt. Das Land müsste zahlen, der Bund auch. Der Beginn der Bauarbeiten wird sich noch weiter verzögern.

Die Ruhruni ist auch wichtig für das Forschungsgebiet der Biomedizin. Das Projekt Biomedizin-Park soll vorangetrieben werden. Von 120.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern sind allein in Bochum 25.000 im Gesundheitswesen beschäftigt. Im gesamten Ruhrgebiet sind in den letzten fünf Jahren nach Angaben von NRW-Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) 15.000 neue Arbeitsplätze im Gesundheitswesen entstanden.

Auch die Bochumer Sozialdemokraten haben die Notwendigkeit des Aufbruchs erkannt. Einen Tag vor der Veröffentlichung des Bochumer Papiers luden sie zum inoffiziellen Wahlkampfauftakt. Seit einigen Wochen hängen bereits die Plakate der drei Spitzenkandidaten zur Landtagswahl am 22. Mai. Um die Vision Bochum 2015 auch landespolitisch mitgestalten zu können, benötigt die SPD gerade im Ruhrgebiet ein wesentlich besseres Ergebnis als bei den vergangenen Kommunalwahlen. In Bochum kam die SPD 2000 auf 40,9 Prozent. „Knapp zehn Prozent mehr sollten es schon sein“, glaubt Bochums SPD-Unterbezirksvorsitzender Bernd Faulenbach. Das entspräche einem Stimmenzuwachs von 20.000.

Und wie wollen die Sozialdemokraten das erreichen? Man will vor allem die klassische Klientel wieder an die Wahlurnen bringen. Im Bereich der Arbeitsagentur Bochum gibt es derzeit 25.000 Arbeitslose. Ein großer Teil davon seien ehemalige SPD-Wähler. „Wir müssen den Leuten klar machen, dass eine Stimme für die SPD vielleicht die persönliche Situation nicht auf Anhieb verbessern wird, langfristig aber der sozialen Absicherung dienen wird“, sagt Thomas Eiskirch, Kandidat im Bochumer Süden. Persönliche Gespräche seien dabei besonders entscheidend. Mindestens jeder zweite Bochumer soll persönlich aufgesucht werden. Und wie es ausschaut haben viele auch morgens Zeit. Daran wird sich – so der Tenor beider Veranstaltungen – auch in naher Zukunft nichts ändern.