„Der Zug ist abgefahren“

Neues Gutachten ebenfalls für Verlängerung der Linie 1 über die BTE-Trasse in Huchting. Baudeputation vertagt Entscheidung

Bremen taz ■ Sie wollen sie nicht haben, nein, sie wollen einfach keine Straßenbahn. Nicht, wenn die Gleise in der Kirchhuchtinger Landstraße (KHL) verlaufen. Und schon gar nicht, wenn sie auf der bestehenden Gleistrasse der Bremen-Thedinghauser Eisenbahn (BTE) durch Huchting rollt. Da kann Frau Pieper vom Stadtplanungsamt noch so viele Zahlen vorbeten, Zahlen, die ein Münchner Institut nach bundesweit einheitlichen Maßstäben erhoben und errechnet hat. Die sich deutlich für die Verlängerung der Linie 1 vom Roland-Center bis nach Mittelshuchting aussprechen. Und die – wie schon der runde Tisch vor Monaten – der Linienführung über die BTE-Trasse den Vorzug vor der über die KHL geben.

Die Mehrzahl der gut 100 HuchtingerInnen, die zur Beiratssitzung in die Aula des Schulzentrums Delfter Straße gekommen sind, will all das gar nicht hören. „Wir haben gesagt, wir wollen nicht abstimmen über KHL und BTE, wir wollen, dass der Bus bleibt“, ruft einer in Erinnerung. Und empört sich: „Jetzt geht es auf einmal wieder um die eine oder die andere Trasse.“

Öffentlich halten alle Beiräte in Huchting an ihrem Jahre alten Beschluss fest: Das Ringbus-System soll bleiben, die Straßenbahn nicht verlängert werden beziehungsweise, wenn sie denn partout nicht zu verhindern ist, zumindest über die KHL geführt werden. Dem steht inzwischen nicht nur das Ergebnis des von der früheren Bausenatorin Christine Wischer (SPD) einberufenen runden Tischs entgegen. Sondern auch das neue Ergebnis des so genannten standardisierten Bewertungsverfahrens, das Wischers CDU-Nachfolger Jens Eckhoff angeleiert hat. Das nämlich schreibt der Streckenführung über die BTE-Trasse einen 2,3 mal so hohen Nutzen wie Kostenaufwand zu. Für die Streckenführung über die Kirchhuchtinger Landstraße errechneten die Gutachter dagegen nur ein Verhältnis von 1,99:1.

Im Vergleich mit allen anderen Straßenbahn-Ausbauvorhaben Bremens steht die Verlängerung nach Mittelshuchting – unabhängig von der Streckenvariante – demnach mit großem Abstand an erster Stelle. Von der Tagesordnung der Baudeputation morgen ist sie dennoch erst einmal abgesetzt. SPD und CDU wollten keine weiteren Investitionen beschließen, bevor nicht der Koalitionsauschuss über weitere Sparvorgaben entschieden hat, heißt es offiziell.

Manch Huchtinger mutmaßt dagegen, dass auch die Trassenfrage nach wie vor für Zwist sorgt – vor allem innerhalb der SPD. Die protestierenden Gartenbesitzer entlang der bestehenden BTE-Schienen jedenfalls, die eine Wertminderung ihrer Grundstücke fürchten, können aus dem Münchner Gutachten ebenfalls Munition gewinnen. Beim gesamtwirtschaftlichen Nutzen der beiden untersuchten Trassen-Varianten etwa steht „KHL“ mit 2,9 Millionen Euro pro Jahr deutlich besser da als „BTE“ mit 2,5 Millionen Euro. Dass die Linienführung über die BTE-Trasse unter dem Strich dennoch besser abschneidet, liegt an den um ein Drittel niedrigeren Baukosten: 26 statt 39 Millionen Euro.

Dass Bremen um eine Schienen-Anbindung des Umlands nicht umhin kommt – darin sind sich die Beiratssprecher von SPD und CDU einig. Eine Entscheidung im Trassenstreit aber, sagt CDU-Fraktionssprecher Siegfried Wehrmann, müsse die Bürgerschaft fällen. „Da müssen die mit fertig werden.“ Armin Simon