berliner szenen Bei Else Buschheuer

Giggeln in Tegel

Lesungen sind öde. Im Allgemeinen. Völlig Fremde sitzen in Reih und Glied auf unbequemen Klappstühlen in zugigen Buchhandlungen. Ich mitten unter ihnen, Unbekannten, mit denen ich nicht mal mein Abendessen teilen würde – und teile mit ihnen stattdessen so etwas Intimes wie Lesen. Was ich sonst nie teile.

Else Buschheuer liest an diesem Abend zum ersten Mal aus ihrem neuen Buch „Venus“ – und sie teilt das mit all diesen fremden Menschen. Was sie kann, halte ich bestimmt auch aus. Also, auf nach Tegel. Kaum der U-Bahn entwichen, zieht ein hässlicher grauer Klotz meine Füße magisch an, widerstrebend nähere ich mich. Die Thalia-Buchhandlung? Ich bekomme zur Antwort, dass sie da drin sei, in diesem Monstrum. Ich fliehe in dessen Nachbarn, eine wunderbare, ausgebaute alte Fabrikhalle. Die richtige Wahl. Nicht nur architektonisch. Denn kaum drinnen, sehe ich auch schon Else Buschheuer, die noch schnell was bei McDonald’s isst. Wahrscheinlich muss sie sich vor der Premiere stärken.

Auf der Lesung fast alles wie erwartet. Klappstühle. Mikrofon. Fremde Menschen, die ruckeln und mit piepsenden Kameras hantieren. Nur irgendwas ist anders. Else wird vom widerspenstig zuckenden Mikrofon bedroht. Ein Mann bricht durch seinen Klappstuhl. Die Textstellen passen seltsam genau zu den störenden Fremdgeräuschen und mahnen mit einem „Wirklich unnötig!“ zur Ruhe. Und ab und zu blubbert ein Giggeln in ihr hoch, während sie liest – und ich kann mir auf einmal vorstellen, wie sie dasitzt und sich all diese total verqueren Typen ausdenkt, diese liebenswerten Freaks, die es echt nicht leicht haben und von einer schrägen Abstrusität in die nächste schlittern. Und total Spaß hat dabei. ANNETTE JAHN