Unis amputieren selbst
: Herbe Autonomie

Freiheit schmeckt salzig in Mecklenburg-Vorpommern. Kaum hat die rot-rote Regierung des Ostseelandes die Hochschulen in die Autonomie entlassen, dürfen sie den herben Geschmack dieser Unabhängigkeit spüren: Sie müssen selbst entscheiden, wo sie bei sich selbst kürzen wollen. Nach den Vorstellungen der SPD-PDS-Landesregierung müssen die beiden Volluniversitäten in Rostock und Greifswald in den nächsten 15 Jahren 600 Stellen einsparen. Die drei Fachhochschulen sollen auf 150 ihrer 750 wissenschaftlichen Angestellten verzichten. Wie der Kürzungsauftrag umgesetzt wird, liegt in den Händen der Unis.

„Der erste Akt der neuen Autonomie ist es, sich selbst zu amputieren“, grollt der Rektor der Fachhoschule Neubrandenburg, Micha Teuscher. Mit seinen beiden Kollegen der Fachhochschulen Wismar und Stralsund arbeitet er gegenwärtig an einem Kürzungskonzept. In Mecklenburg-Vorpommern ging die Entscheidung fix: Der Landtag hatte Ende Januar ein Personaleinsparkonzept beschlossen. Daraufhin forderte der parteilose Wissenschaftsminister Hans-Robert Metelmann die Hochschulen auf, ihm binnen eines Monats Vorschläge zu unterbreiten. Ende März will der Landtag beschließen. Metelmann weiß übrigens ziemlich genau, was er seinen Unis aufbürdet – er war bis 2002 Rektor in Greifswald, ehe ihn die SPD zum Minister machte.

Die Universität Rostock verzichtet unter anderem auf die Fakultäten Jura und BWL und darf im Gegenzug die sozialwissenschaftlichen Studenten aus Greifswald mitbetreuen. Ein Schnitt, der nicht nur den Unis wehtut. „Bildung ist unser höchstes Gut und die Studenten der wichtigste Wirtschaftsfaktor“, sagt Bodo Berner, Referent des Rostocker Rektors Rainer Westermann. Aus dem Senat der Universität Greifswald dringen schärfere Töne: Die Kürzungen seien vulgärökonomisch, heißt es in einer Stellungnahme.

Das Wissenschaftsministerium begründet die Sparmaßnahmen mit notwendigen Zentralisierungen. „Unsere Unis haben im Bundesvergleich zu kleine Institute“, sagt die Sprecherin des Wissenschaftsministeriums Heike Neitzert. Man brauche konzentrierte Fachbereiche statt von jedem ein bisschen, sonst sei man auf Dauer nicht leistungsfähig. Außerdem mache der Geburtenrückgang die Schrumpfung der Unis notwendig.

Die kommenden Generationen müssen in Zukunft geografisch sinnvolle Fächerkombinationen wählen. Wer Soziologie studiert und im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre, muss studienverbindende 100 Kilometer von Rostock nach Greifswald zurücklegen.

„Die Studierenden wurden gar nicht in die Pläne einbezogen“, klagt der Rostocker Asta-Vorsitzende Thomas Wolff. Am Montag mobilisierte die Studentenschaft 500 Kommilitonen zur Protestdemo.

Doch nicht nur die Studenten sind beim Umbau ihrer Unis nur Zuschauer. Auch die hochschulinternen Gremien bleibt nicht mehr Zeit, als zu nicken oder Nein zu sagen. „Das ist das Dilemma: erst hatten wir ein Jahr Stillstand und jetzt sollen in wenigen Wochen Entscheidungen fallen, die im Wesentlichen ohne Beteiligung der Gremien getroffen werden“, sagt Rektor Teuschner. Und Berner meint, man habe eben aus Notwehr rasch handeln müssen. „Wenn wir kein Konzept vorgelegt hätten, dann hätten wir uns Eingriffe gefallen lassen müssen. Das geht hier Schlag auf Schlag.“

Die Einsparungen abzulehnen, ist nicht einfach. Das brächte den Verlust der neuen Autonomie mit sich. „Wenn die Hochschulen ihrer Eigenverantwortung nicht nachkommen, muss das Ministerium es eben selber machen“, sagt Sprecherin Neitzert. ANNA LEHMANN