: Schiller wird Exportschlager
Von Fahrschulbüchern bis zu IHK-Zertifikaten – mit Bildung aller Art lässt sich gutes Geld im Ausland verdienen. Also reisten auch deutsche Wissensanbieter im Tross des Kanzlers, um den arabischen Bildungsmarkt zu erobern
Mit großen Worten setzte Bundeskanzler Schröder letzte Woche das Thema Bildung auf die Agenda seiner Arabienreise: „Wir müssen ein gemeinsames Verständnis darüber entwickeln, was Voraussetzung für gutes und vernünftiges Leben ist“, erklärte er den Studentinnen der Zayed-Universität in Abu Dhabi am Wochenende. Entsprechend sei die Zusammenarbeit, vor allen Dingen im Bildungssektor, eine große Aufgabe. Es gehe nicht nur um die Universitäten, sondern auch darum, Arbeiter und Arbeiterinnen immer qualifizierter auszubilden, damit sie in der Produktion umfassend und erfolgreich einsetzbar seien.
Schröder zielte weniger auf Gleichberechtigung denn auf Wirtschaftswerbung ab. Denn Lernen und Lehren werden zunehmend zum Exportgut – zwei Billionen Euro werden jährlich umgesetzt, schätzt die Weltbank. Briten, Australier und US-Amerikaner geben seit Jahren den Weg vor und haben den Markt für Uni-Dependancen, Berufsakademien und Business-Schools fast ganz unter sich aufgeteilt.
Zu Beginn des Jahrtausends ist der Bildungsstandort Deutschland aufgewacht und hat erkannt, dass Goethe, Schiller, Max Planck und IHK-Zertifikate nicht nur in Deutschland gefragt sind. Unter Federführung des Bildungsministeriums wurden große Schlagworte formuliert – „Weiterbildung worldwide“, „Aus- und Weiterbildung made in Germany“ – und kleine Institutionen wie „iMove“ gegründet, die den deutschen Akademien und Bildungseinrichtungen ausländische Märkte erschließen sollen.
Das Exportgut ist nicht auf klassische Schulen und Unis beschränkt, wie der Geschäftsmann Burghard von Reumont erklärt: „Wir haben zwei Ziele: den bunten Mix an Firmen, die ihr Management auf einem Toplevel ausbilden möchten. Und die Existenzgründer, die Know-how – in der Personalführung etwa – brauchen.“ Ein Markt, in dem allein in Deutschland jährlich 25 Milliarden Euro umgesetzt werden. Von Reumont leitet die Aachener Firma Europhil, die auch Weiterbildung verkauft. Er hat Kanzler Schröder auf seiner Arabientour begleitet. „Der arabische Raum ist ein Riesenmarkt für deutsche Bildungsanbieter“, telefonierte er am Montag überglücklich nach Deutschland. Zwar seien nur zwei deutsche Bildungsanbieter in Schröders Delegation dabei – „aber immerhin“.
Die aufgebauten Kontakte seien so gut, dass er noch länger als der Kanzler in den Vereinigten Arabischen Emiraten bleibe, um seine Geschäftspartner persönlich kennen zu lernen. Und das tut auch Not, wie von Reumont erfahren musste. „Viele Briten und US-Amerikaner sitzen in Arabien an Beraterpositionen und lassen in Maulwurfsmanier Angebote deutscher Konkurrenten verschwinden.“
Bei Dr. Rahn und Partner, ebenfalls Teilnehmer in Schröders Delegation, gibt man sich angesichts mannigfaltiger Schwierigkeiten zurückhaltend: „Man kann sicher nicht vom Exportschlager deutsche Bildung sprechen“, erklärt die Projektleiterin Alexandra Hilbig. Das deutsche Know-how sei zwar nachgefragt, lasse sich aber in keinem Land eins zu eins übertragen. „Wieso sollten Gastronomen in Ägypten wissen, wie man einen Schweinebraten aufträgt?“ Daneben sei die internationale Anerkennung von Zertifikaten trotz des Labels IHK schwierig, und auch das duale Berufsbildungssystem lasse sich nur bedingt exportieren.
Verkauft wird, was gut klingt, Geld bringt und praxisnah ist. Auf der arabischen Halbinsel schult man Scheichkinder in Management-Seminaren, auf Schröders letzter China-Reise wurden Fahrschulbücher vertickt, in Ungarn werden Hotelfachkräfte nach Ausbildungsende mit einem deutschen IHK-Zertifikat ausgestattet und auch das Maß aller deutschen Dinge, der TÜV, schweift mit „Trainings zur Qualitätssicherung“ in die Ferne.
In Deutschland selbst sind die Reisequalitäten des neuen Wirtschaftsguts Bildung dagegen noch unbekannt. Zwar heißt es vom Bundesverband Deutscher Industrie: „Das Thema Wissensindustrie ist inzwischen Standard.“ Doch auf Nachfrage erklärt etwa das Wirtschaftsministerium, dass es keinerlei Zahlen zum Bildungsexport gebe, das sei schließlich Sache des Bildungsministeriums. Und was könne man bei Bildung überhaupt exportieren, wird erstaunt nachgehakt. Auch in der Berliner Zentrale der Außenhandelskammern schluckt man derzeit noch: „Darüber wissen wir nichts Genaues. Das ist ja mal ein ganz neues Thema.“ MAX HÄGLER
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