„Amerikanische Hilfe könnte kontraproduktiv sein“

Der Oppositionsführer Walid Dschumblatt weist Vorwürfe zurück, er handle im Auftrag der USA. Ziel der libanesischen Demokratiebewegung sei nicht ein Regimewechsel in Syrien

taz: Ist Hisbollah eine Gefahr für die Stabilität des Libanon?

Walid Dschumblatt: Nein. Hisbollah ist keine wichtige Partei. Sie hat viel dafür getan, den Libanon von der israelischen Besatzung im Süden zu befreien. Aber jetzt sollte sie sich dem libanesischen Volk anschließen – den jungen Männern und Frauen, die für die Unabhängigkeit des Libanon eintreten.

Im Moment scheint Hisbollah aber andere Ziele zu haben als die Demokratiebewegung –zum Beispiel gegenüber Syrien.

Wir wollen kein Bollwerk gegen Syrien bilden. Aber wir wollen auch nicht von syrischen Geheimdienstleuten regiert werden. Syrien hat uns nach dem Bürgerkrieg geholfen, unser Land wieder zu einigen. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass die Syrer das Land verlassen.

Syrien hat begonnen, seine Soldaten Richtung Grenze zurückzuziehen. Welche weiteren Schritte sind nötig?

Die Opposition hat klare Ziele: erstens ein Zeitplan für den syrischen Truppenabzug; zweitens die Auflösung des syrischen Sicherheitsapparats in Libanon; drittens die Untersuchung und Aufklärung des Mordes an dem ehemaligen Regierungschef Rafik Hariri.

Und die künftige Regierung?

Ich habe gehört, sie wollen Omar Karami (der am 28. 2. als Ministerpräsident zurücktrat, d. Red.) nochmals berufen. Damit würden Syrien und seine Verbündeten im Libanon nur auf Zeit spielen. Das bringt uns in der Frage, wer Hariri getötet hat, nicht weiter.

Die Ereignisse im Libanon werden mit der orangenen Revolution verglichen. Im Gegensatz zur Ukraine besteht die libanesische Opposition aus zahlreichen Parteien. Hat die Opposition gemeinsame Ziele, die über einen syrischen Abzug hinausgehen?

Bisher ist es uns gelungen, geeint zu bleiben. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, werden wir weitersehen.

Reicht ein syrischer Abzug aus, um das politische System zu demokratisieren?

Unser Wahlgesetz schließt die Repräsentation der Minderheiten ein. Wir haben ein konfessionelles System, und daher müssen alle Minderheiten auf die eine oder andere Art vertreten sein.

Wollen Sie das konfessionelle System abschaffen?

Im Moment ist das kein Thema.

Die Parteien im Libanon sind anders strukturiert als in westlichen Demokratien. Sie selbst führen ihre Partei seit 1977. Wird sich an dieser starken Personalisierung und dem Einfluss der bekannten Familien etwas ändern?

Wenn man ein konfessionelles System hat, dann gibt es Fälle wie mich. Es gibt darüber aber erste Diskussionen. Auch diese Dinge werden sich ändern müssen. Aber im Moment habe ich noch keine Antwort, wie.

Ist der Druck der USA auf Syrien hilfreich?

Die (prosyrischen, d. Red.) Loyalisten werfen uns vor, US-Agenten zu sein, aber wir haben ohne die Hilfe der USA angefangen. Amerikanische Hilfe könnte sogar kontraproduktiv sein. Wir können auf uns selbst gestellt agieren und waren bislang damit erfolgreich.

Glauben Sie, dass die Entwicklung im Libanon Auswirkungen auf die syrische Innenpolitik haben könnte?

Wir teilen nicht die Meinung einiger amerikanischer Falken, die einen Regierungswechsel in Syrien fordern. Der würde zu Chaos in Syrien, dem Libanon und im Nahen Osten führen. Für uns ist die Stabilität Syriens jedoch ein Muss. Wir mischen uns nicht in interne syrische Angelegenheiten ein.

Ihre Partei, die drusische Sozialistische Fortschrittspartei, war in der Vergangenheit mit Syrien verbündet.

Während des Bürgerkrieges mussten wir uns mit Syrien, dem arabischen Umfeld und der Sowjetunion verbünden. Die andere Seite war mit den USA und Israel verbündet. Aber das ist die Vergangenheit. Wir waren gespalten, und jetzt sind wir vereint.

INTERVIEW: BEATE SEEL