ORTSTERMIN: DAS KANZLERKANDIDATINNENCASTING DER PARTEI
: Papas Partei

Es ist heiß. Der Schweiß überschwemmt den kleinen Raum. Er ist überall. Den Parteifunktionären ist das egal. „Bitte erheben sie sich und klatschen sie frenetisch: der Parteivorsitzende Martin Sonneborn!“, kündigt ein Sprecher an. Die Funktionäre springen auf, werfen ihre Fäuste in die Höhe und stimmen das Parteilied an: „die Partei, die Partei – die hat immer recht“.

„Die Partei ist keine Spaßpartei“, sagt Sonneborn, ehemals Chefredakteur der Titanic. Man sei schließlich nicht die FDP. „Es geht hier um Inhalte“, so Sonneborn weiter, „doch um diese vermitteln zu können, brauchen wir ein Gesicht, das sie öffentlichkeitswirksam transportiert.“

Die Parteifunktionäre sind heute in Hamburg zusammengekommen, um ihre Kanzlerkandidatin zu casten. Sie tragen graue Anzüge, blaue Hemden und rote Krawatten. Die Frauenquote liegt etwa bei der der CSU.

16 Kandidatinnen haben sich zur Wahl gestellt. Über einen roten Teppich betreten sie die Bühne. Schon als die erste von ihnen im schwarzen Abendkleid vor die Jury tritt, zeigt sich welche Qualifikationen sie mitbringen muss. „Du geile Sau. Mach dich endlich nackig“, schreit ein angetrunkenes Mitglieder des bayrischen Landesverbands.

„Wichtigste Anforderung an unsere Kandidatin ist, dass sie einfach verdammt gut aussieht“, sagt Sonneborn später. Außerdem seien Willenlosigkeit, Formbarkeit und absolutes Machtstreben von Nöten, fügt ein Pressesprecher hinzu. „Schließlich wollen wir eine Wahl gewinnen.“ Eloquenz und Charakterstärke seien „irgendwie egal, wie man bei der derzeitigen Kanzlerin beobachten kann“. Es gelte nun „endlich die Macht in Deutschland zu übernehmen, das Merkel zu stürzen – und wegzusperren“. Der Wiederaufbau der deutsch-deutschen Mauer ist eines der Kernthemen der Partei.

Neben der Bühne steht ein zehnjähriges Mädchen und schaut mit großen Augen zu, was dort oben passiert. Sie trägt eine Uniform, die an die FDJ-Aufmachung erinnert, grau mit rotem Halstuch. Es ist die Uniform der Hintlerjugend, der Jugendorganisation der Partei. Das Mädchen ist hier, weil ihr Vater hier ist: Sonneborn, der gerade auf der Bühne verkündet, dass er ein Verhältnis mit der nun gekürten Kanzlerkandidatin Samira El Ouassil habe. Was die FDJ ist, weiß sie nicht, sagt das Mädchen, aber die Veranstaltung findet sie echt lustig, „irgendwie wie Germanys next Topmodel“. Sonneborn sagt, „dass Satire keine Grenzen hat, da Grenzen immer aufs Neue ausgelotet werden müssen“. Letztendlich sei alles möglich, was zur Parodie von Politik beitrage, darum sind auch die Hintlerjugend und seine Tochter hier.

Die Inszenierung der Kanzlerkandidatinnenwahl der Partei gleicht in vielem den Inszenierungen, die die Parteitage der großen Parteien begleiten: das Programm, der elitäre Bundesvorstand, das Klatschvolk. Zum Teil ist die Inszenierung so vollkommen, dass die Grenzen zwischen Realität und Satire einreißen. Spricht man mit Mitgliedern der Partei, ist oft nicht klar, ob sie gerade ihre Rolle spielen oder sie selbst sind, wohl auch deshalb, weil sie es selbst nicht immer genau zu wissen scheinen. Auch eine Parallele zur großen Politik. JOHANN TISCHEWSKI