Neonazis gestehen Terrorplan

Zwei Mitglieder der rechtsextremen „Kameradschaft Süd“ legen im Münchener Terrorprozess Geständnisse ab. Bundesanwalt wertet Aussage als Wende. Gründer Wiese spricht von Lüge

MÜNCHEN taz ■ Überraschende Wende im Münchner Terroristenprozess gegen die rechtsextreme „Kameradschaft Süd“: Am Dienstag legten zwei der vier Angeklagten, der 22-jährige David Sch. und der 28-jährige Alexander M., völlig unerwartet ein Geständnis ab.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen ebenso wie dem Anführer der Gruppe, Martin Wiese (29), und dem 24-jährigen Karl-Heinz St. vor, einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung des neuen jüdischen Kulturzentrums in München am 9. November 2003 geplant zu haben. Außerdem seien sie der Bildung einer terroristischen Vereinigung schuldig. Bei Hausdurchsuchungen im September hatte die Polizei insgesamt 1,3 Kilogramm TNT und weitere Waffen, darunter Pistolen, bei den Angeklagten gefunden.

Bisher hatten die Beschuldigten alle Vorwürfe geleugnet. Nun räumten Alexander M,, einst Wieses Stellvertreter, und David Sch. erstmals ein, gewusst zu haben, dass der Sprengstoff wahrscheinlich „für Anschlagspläne in naher Zukunft“ genutzt werden sollte. Zudem hätten Übungen mit Soft-Air-Pistolen im Wald dazu gedient, den späteren Umgang mit scharfen Waffen zu trainieren. Alexander M. erklärte weiter: „Ich hätte Gewalt angewandt, wenn es von mir verlangt worden wäre.“ Beide Angeklagten haben sich nach ihren Angaben inzwischen von der Gruppe distanziert und wollen, wie der Anwalt von David Sch. sagte, „reinen Tisch machen“.

Bundesanwalt Bernd Steudl wertete die Geständnisse als „entscheidende Wende“ in dem langwierigen Verfahren. Der Anwalt von David Sch. sagte, das Geständnis sei möglichst lange geheim gehalten worden, „um Störfeuer zu vermeiden“. Die Verteidiger der beiden geständigen Angeklagten erhofften sich mildere Strafen für ihre Mandanten.

Der Hauptangeklagte Wiese hingegen bezeichnete die Aussagen als gelogen. Er hielt in seiner ersten ausführlichen Erklärung vor Gericht dagegen, dass Waffen und Sprengstoff im Auftrag eines Militaria-Sammlers beschafft worden seien, dessen Namen er aber nicht preisgeben wolle, weil es sich um ein „gut situiertes Mitglied der Gesellschaft“ handele. Sein Anwalt, Günther Herzogenrath-Amelung, habe den Mann aber bereits getroffen.

Das Training mit Soft-Air-Pistolen sei laut Wiese lediglich eine Art „Cowboy-und-Indianer-Spiel“ gewesen. Zu keinem Zeitpunkt hätte er einen Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum – das er als JKZ bezeichnete – geplant. Entsprechende Aussagen von ihm, die mehrere Zeugen vor Gericht bestätigt haben, seien nur „Sprücheklopferei“ gewesen: „Wir waren und sind keine Terroristen“, sagte Martin Wiese.

JÖRG SCHALLENBERG

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