Magaths Erbe auf dem Dorfacker

3.500 Zuschauer sehen Testspiel VfL Wolfsburg – Holstein Kiel im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf. Vorbeireisende Dänen verpassen die Premiere eines Landsmanns – und einen Drittligisten, der sich wehrt

■ Marc Heider, 23, Linksaußen, Werder Bremen, VfL Osnabrück

■ Tim Jerat, 27, Mittelfeldspieler, Wuppertaler SV, KFC Uerdingen

■ Christopher Lamprecht, 24, Außenverteidiger, war vom VfL Wolfsburg an den 1. FC Kaiserslautern verliehen

■ Robert Müller, 22, Innenverteidiger, Ex-U 21-Nationalspieler, Carl Zeiss Jena, Hertha BSC

■ Francky Sembolo, 23 (Kongo), Stürmer, FC Oberneuland

■ Fiete Sykora, 26, Stürmer, VfL Osnabrück, Erzgebirge Aue, Carl Zeiss Jena ROR

VON ROGER REPPLINGER

Büdelsdorf, nördlich von Rendsburg gelegen, heißt auf Dänisch „Bydelstorp“, und es sind viele Dänen unterwegs. In den Süden. An diesem Freitagabend gehen sie nicht zum Spiel des Meisters der Regionalliga Nord, Holstein Kiel, gegen den Deutschen Meister VfL Wolfsburg. Dabei hätten sie guten Grund: Sie hätten eine der seltenen Gelegenheiten, einen der besten Fußballer aus ihrer Heimat spielen zu sehen: Thomas Kahlenberg, der jüngst vom AJ Auxerre zum VfL Wolfsburg gewechselt ist. Auch ohne Dänen sind im Eiderstadion – Büdelsdorf liegt an der Eider – schließlich 3.500 Zuschauer.

Im November 2008 lag Wolfsburg auf einem sicheren neunten Tabellenplatz als Jürgen Muhl Felix Magath anrief. Muhl ist Chefredakteur der Sportpresse Nord, die zum im Land ziemlich unangefochtenen Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ) gehört. Er bot Magath an, vier Spiele gegen Clubs aus dem Norden zu machen. Den Wolfsburgern garantierte er so viel Geld, „dass der VfL sein Trainingslager auf Sylt davon bezahlen kann“, so Muhl. Trainer und Geschäftsführer, damals beide Magath, machten mit.

Der neue Wolfsburger Trainer Armin Veh fühlte sich daran gebunden – und ließ sein Team auf dem Weg von Sylt nach Wolfsburg im 11.000-Seelen-Ort Büdelsdorf aussteigen.

In den sechziger Jahren spielten Kiel und Wolfsburg mal in der Regionalliga gegeneinander. Heute trifft der Meister der Regionalliga Nord, der vor Wochen noch gegen den SV Wilhelmshaven oder Altona 93 kickte, auf einen deutschen Meister, der es in der Champions League mit Inter Mailand, Real Madrid oder Manchester United aufnehmen will. Auf die Frage, was nötig ist, damit das in Büdelsdorf geht, sagt Muhl: „Geld.“ Am Ende, schätzt Muhl, sorgen Sponsoren und Zuschauer dafür, „dass wir, wie sagt man heute, eine schwarze Null schreiben“.

Durch solche Veranstaltungen wird die berühmte „Leser-Blatt-Bindung“ gestärkt. Büdelsdorf liegt mitten im Verbreitungsgebiet der SHZ-Zeitungen und das Druckzentrum steht hier.

Büdelsdorf hat 11.000 Einwohner, und der TSV belegte in der Verbandsliga Nord-Ost den zehnten Platz. Zu den Spielen kommen 200 Zuschauer. „Na, auch mal nur 120“, sagt mein Nachbar. Immerhin kommt Tim Wulff von hier, der am letzten Spieltag der Regionalliga, in der 89. Minute, vor 10.000 Zuschauern das 1 : 0 für Kiel gegen den VfB Lübeck erzielte, und damit die „Störche“ in die Dritte Liga schoss. Zu Hause in Büdelsdorf darf er immerhin eine Halbzeit ran

Veh schickte eine respektable Mannschaft auf den Platz. Die U 21-Europameister Ashkan Dejagah und Daniel Adlung sowie Confed-Cup-Sieger Josué steigen am 17. Juli in die Vorbereitung ein. „Das ist vielleicht nicht ideal, aber bei einer Mannschaft mit Nationalspielern völlig normal“, sagte Veh. Dafür stand der 54-Tore-Sturm aus Edin Džeko und Grafite auf dem Platz – und eben der dänische Nationalspieler Kahlenberg. „Es war schön, wieder zu spielen und hat Spaß gemacht, auch wenn es noch besser geht“, sagte er hinterher.

Wolfsburg gewann mit 2  :1 (0 : 0), wobei Veh betonte, dass ihn „Ergebnisse bei Vorbereitungsspielen nicht interessieren“. Der eingewechselte Jan Šimunek brachte Wolfsburg per Kopf nach einer Ecke von Zvjezdan Misimović in Führung. Kiels Holger Hasse glich, ebenfalls nach einer Ecke, aus (78.). Mahir Saglik traf zum Endstand (85.).

Da hatte sich das Interesse der jüngeren Zuschauer auf die Tartanbahn verlagert, wo Misimović und Grafite Autogramme schrieben. Der kleine, rothaarige Junge, der ein Autogramm des Bundesliga-Torschützenkönigs auf seinem Lederball hat, wird bald merken, dass er mit dem Ball entweder nicht mehr spielen kann, oder den Grafite löscht.