„Das Verbot schüchtert für eine Weile ein“

Verbote schwächen die Nazis nur für kurze Zeit, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus

taz: Frau Klose, fürchten Sie um Ihre Arbeit?

Bianca Klose: Wie kommen Sie darauf?

Wenn die aktivsten Neonazi-Kameradschaften in Berlin zerschlagen sind, fehlen Ihnen doch Ihre Gegner.

Unsere Arbeit besteht aus der inhaltlichen Auseinandersetzung mit rechtsextremen Ideologien, die viel weiter verbreitet sind als Mitgliedschaften in rechten Organisationen. Ich gehe davon aus, dass das Verbot der Kameradschaft Tor und der Berliner Alternative Süd-Ost die Szene strukturell zurückwerfen wird und für eine Weile einschüchtert. Allerdings nur vorübergehend.

Warum?

Das Kameradschaftsnetzwerk in Berlin ist sehr flexibel. Durch ein Verbot verschwinden weder Personen noch die Klientel, die mit diesen rechtsextremen Strukturen sympathisiert. In der Vergangenheit sind sie immer wieder unter neuem Namen erschienen. Die Trennschärfe zu anderen rechtsextremen Gruppen war von jeher gering. Die Köpfe werden schnell in der Lage sein, mit denselben Leuten wieder neue Strukturen aufzubauen.

Verbote bringen also nichts?

Wenn Neonazis einen vietnamesischen Imbissbetreiber krankenhausreif schlagen, sollen sie selbstverständlich bestraft werden. Verbote sind aber immer mit Vorsicht zu genießen: Die Einschränkung von Grund- und Bürgerrechten sollte die Ausnahme bleiben. Auf keinen Fall darf mit Körtings Verfügung der Eindruck entstehen, das Rechtsextremismusproblem sei vom Tisch. Wir erleben immer wieder, dass sich BürgerInnen auf den starken Staat berufen. Nach dem Motto: Ich handle erst dann, wenn der Staat gehandelt hat. Das zeugt von einem problematischen Demokratieverständnis. Handlungsbedarf gibt es vor allem jenseits des Strafrechts.

Angesichts so vieler rechter Aufmärsche ist die Zivilgesellschaft doch machtlos. Die linken Initiativen können froh sein, wenn sie überhaupt noch 50 GegendemonstrantInnen auf die Straße bekommen.

Auch der Straßenprotest ist nur eine Facette von vielen Formen zivilgesellschaftlicher Auseinandersetzung. Viel wichtiger ist es, rechtsextreme Ideologie im Alltag zu ächten. Und da kommt die Arbeit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus zum Zuge. Wir brauchen auch weiterhin eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in Schulen, in der Jugendarbeit und im öffentlichen Raum. Es bleibt nicht viel Zeit, bis die Anhänger der KS Tor und der Baso Ersatzstrukturen aufgebaut haben. Wir sollten diese kurze Phase für präventive Arbeit nutzen. Für mich heißt das: die Gegenkulturen stärken.

INTERVIEW: FELIX LEE