Kein intellektueller Witz

betr.: „Weiss für ‚Gipsy‘ auf Mahnmal“, taz vom 5. 3. 04

Zuerst hielt ich es für einen ziemlich guten intellektuellen Witz, erfunden von einem/einer genauen BeobachterIn verbreiteter Faulheiten: Statt sich weiter um ein deutsches Wort zu zanken oder besser noch zu bemühen, kann man Problemexport betreiben, indem man das deutsche durch ein Fremdwort ersetzt. Offenbar ist der Vorschlag, „Gypsy“ statt „Zigeuner“ zu verwenden aber nicht als hochkarätiger Witz in die Welt gesetzt worden, sondern als vollkommen ernst gemeinter Konfliktlösungsvorschlag und als Hinweis darauf, was sich die Kulturstaatsministerin unter Kultur vorstellt.

Die ganze Affäre enthält aber auch die Crux der bisherigen Mahnmaldebatte: Es sind zu viele Leute einbezogen. Die Entscheidung der Repräsentanten der Deutschen als Angehörige der ehemaligen Täter für oder gegen einen Entwurf geht im Prinzip die Opfer nichts an. Sie können das fertige Produkt hinterher annehmen oder ablehnen, es für ein akzeptables oder inakzeptables Zeichen halten, aber nicht daran mitwirken. Das ist genauso absurd, als würden die Kirchen (was ihnen natürlich nicht einfällt) zum Gedenken an die von ihnen vernichteten Hexen und Hexer ein Mahnmal planen und sich dafür vorher die Zustimmung von Frauenverbänden holen oder sie sogar mit den Entwürfen und dem Bau beauftragen. HELKE SANDER

Und wie wäre es, das Mahnmal einfach in der Sprache der Sinti und Roma zu gestalten? Die englische Bezeichnung hat für meine Begriffe doch eher nichts mit einem Mahnmal zur deutschen Geschichte zu tun. BARBARA KIRSCH, Lüneburg

Diese Nachricht signalisiert eine prekäre Bereitschaft zur Flucht aus der in eben nicht zu unterschlagenen Weise mörderisch kontaminierten deutschen Sprache ins Englische. Die Zeitungsmeldung überrascht mich umso mehr, als dem Ministerium ein in prägnantem Deutsch verfasster und unter dem Aspekt ihrer jeweiligen Selbstidentifikation alle an der Auseinandersetzung beteiligten Gruppen einbeziehender Inschriftvorschlag unterbreitet worden ist. EVA-MARIA HESSE-JESCH, Gießen