Berlin macht Schluss mit Kameradschaft

Erstmals hat der Berliner Innensenator zwei rechtsextreme Kameradschaften verboten. Er beruft sich auf das Vereinsrecht, obwohl die Gruppen nicht offiziell als Verein existieren. Das Gericht wird ihm wohl dennoch Recht geben

BERLIN taz ■ Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat gestern die zwei aktivsten rechtsextremen Kameradschaften in der Hauptstadt verboten. Betroffen sind die „Berliner Alternative Südost“ (Baso), die „Kameradschaft Tor Berlin“ und ihre weibliche Untervereinigung, die „Mädelgruppe“, mit jeweils zwischen zehn und 15 Mitgliedern.

Noch am gleichen Morgen durchsuchten Polizisten die Wohnungen von insgesamt neun besonders aktiven Kameraden. Dabei konnten die Beamten „umfangreiches Propagandamaterial“ sicherstellen, aus dem erkennbar sei, dass sie gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik verstießen, sagte Körting. Neben Flugblättern und Transparenten handelte es sich um Aufkleber und T-Shirts. Waffen hätten sie keine gefunden.

Bei der Verbotsverfügung beruft sich der Innensenator auf das Vereinsrecht. Die Ziele der beiden Kameradschaften richteten sich eindeutig gegen die verfassungsmäßige Ordnung, so Körting. „Sie lehnen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab, agitieren gegen staatliche Institutionen und kämpfen für deren Beseitigung.“ Die Mitglieder seien wiederholt durch rechtsextremistisch motivierte Straftaten aufgefallen. Beide Gruppen zeigten eine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“. Zudem hätten sie Polizisten, Politiker und Journalisten bedroht. Die Baso war zuletzt Ende 2004 aufgefallen, als sie vor dem Haus des Berliner Polizeidirektors Michael Knape demonstrieren wollte.

Verfassungsschützer und Polizei haben die Kameradschaften bereits seit einiger Zeit im Visier. Während in Berlin die rechtsextremen Parteien eher eine untergeordnete Rolle spielen, verzeichnen die militanten Kameradschaften seit zwei Jahren großen Zulauf. Längst bestimmen sie die Marschrichtung in der aktionsorientierten Neonazi-Szene. Doch mit Verboten hatten sich Körting und auch seine Vorgänger bislang zurückgehalten. Denn was es offiziell nicht gibt, kann auch nur schlecht verboten werden. Das Problem allgemein bei Kameradschaften liegt darin, dass sie weder über Satzungen verfügen noch über einen Vorstand. Nach der Verbotswelle zahlreicher neonazistischer Organisationen Anfang der 90er-Jahre hatten sich die Neonazis bewusst zu diesen informellen Gruppen zusammengeschlossen, um das Vereinsrecht zu umgehen und damit ein Verbot zu verhindern.

Bei den gestrigen Verbotsverfügungen hegt Körting aber keine Zweifel, dass das Gericht ihm Recht geben wird. Im Internet und bei Aufmärschen seien sie selbst als feste Organisation aufgetreten, betonte Körting. Das sei entscheidend.

Zugleich betonte der Berliner Innensenator, dass Verbote nur eine Strategie der Politik sein können: „Wir müssen politisch argumentieren. Aber hilfreich ist es schon, wenn ich Strukturen zerschlage und den Organisationen den Schein der Legalität nehme.“ Zwar würden die Rechtsextremen wegen des Verbots „ihre Gesinnung nicht ändern“, räumte Körting ein. „Möglicherweise werden aber andere Menschen abgeschreckt.“

Das Neonazi-Netzwerk „Aktionsbüro Berlin“ hat dazu aufgerufen, im Internet sämtliche Hinweise auf die verbotenen Gruppen zu entfernen, um „keinen Anlass für weitere Maßnahmen zu bieten“. FELIX LEE