In der Sommerhitze stehen die Besucher dumm herum

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Der wiedereröffnete Biergarten am Lietzensee. Letzte Folge

Bis man die bestellte Pizza zum Tisch getragen hat, suppt sie unschön in der Mitte

Schade, so sind manche Dinge im Leben. Nicht tragisch oder schwerwiegend, aber so, dass man sich wünschte, es wäre anders. Dass sich Claudia von Michael getrennt hat, schade! Dass „Harry und Sally“ genau an dem Abend verliehen ist, an dem man sich in die Videothek geschleppt hat, schade! Der Kölner sagt in solchen Momenten gerne „Et kütt, wie et kütt!“, der Charlottenburger in letzter Zeit eher: „Ein Hefeweizen, ein Alster und einmal die Wiener mit Kartoffelsalat, bitte.“ Selten war das Gefühl des flauen Bedauerns so stark, wie im gerade wiedereröffneten Biergarten am Lietzensee in Berlin-Charlottenburg.

Früher konnte man den Abend hier wegen der hübschen Aussicht auf den kleinen See und den Funkturm dahinter genießen. Das gastronomische Angebot war simpel, der Service eigentlich indiskutabel, die Tische wackelig. Doch die Nachbarschaft traf sich hier zu einem Feierabendbier. Wenn man nach dem Laufen im Trainingsanzug auftauchte, ging das ohne Murren durch. Die Nachricht vom Abriss des alten Pavillons und davon, dass der gute Italiener Stella Alpina aus der Nachbarschaft den Biergarten übernehmen würde, ließ eine Sache befürchten und eine erhoffen: Erstens, dass es chichi werden würde, und zweitens, dass endlich gastronomischer Verstand an dieser Stelle herrschte. Die Befürchtung hat sich nicht erfüllt, die Hoffnung noch weniger.

Dass etwas nicht rundlief, ließ sich schon in den letzten Monaten erahnen. Erst gab es ein ordentliches Hickhack um die Ausschreibung. Irgendwann stand dann eine überdimensionierte Holzhütte mit blendend weißen Plastikfensterrahmen am Ufer und wartete auf die Eröffnung.

Gut, Holz verwittert, in fünf Jahren vielleicht sieht das Gebäude dann charmant aus, nun aber wirkt noch alles so fehlplatziert wie die an die Front gezimmerte Bezeichnung „Bootshaus“. Hübscher als von außen sieht das Café von innen auch nicht aus, schlicht, aber mit grauen Fliesen und nur wenigen Tischen vielleicht etwas zu funktional. Die Besucher stehen an einem Sommertag dumm in der Gegend herum, warten an der Kasse oder danach am Tresen darauf, dass das durch die Hitze und den Andrang leicht überforderte Personal die bestellte Pizza herausrückt. Bis man die wieder zum Tisch auf der großen, einladenden Terrasse getragen hat, suppt sie längst unschön in der Mitte, was man freilich nicht sieht, weil über diese Schwachstelle eine Handvoll Rucola geworfen wird. Ein erstaunlicher Qualitätsunterschied zwischen der Pizza im Stella Alpina und in dieser kleinen Dependance!

Schade, schade. Schließlich hat sich die gastronomische Situation in dieser Lage nicht verschlimmert, die hier schlummernden Chancen aber warten noch immer auf ihre Entdeckung. Die alten Stammgäste kommen dennoch. Für sie war das Café am Lietzensee sowieso eher der Ort, an dem man ein Feierabendbier trinkt, bevor es zum Abendessen nach Hause geht. Mit der Überzeugung, dass dies so bleibt, kann man gut leben. Bedauerlich ist es dennoch.

■ BOOTSHAUS STELLA CAFÉ am Lietzensee, Witzlebenplatz, 14057 Berlin, tägl. 11–22.30 Uhr, Tel. (0 30) 30 12 77 81, U Sophie-Charlotte-Platz, Apfelsaftschorle 2 €, Hefeweizen vom Fass 3,80 €, Alster 3,20 €, Pizza ab 7 €

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