Volles Haus im Männerknast

Die JVA Tegel ist überbelegt, nun debattieren Senat und Parteien einen Knast-Neubau im brandenburgischen Großbeeren mit 650 Haftplätzen. Doch der könnte richtig teuer werden

VON PLUTONIA PLARRE

Jahrelang war Ruhe. Nun wird heftig um den Neubau eines Männerknasts gestritten. Angesichts leerer Kassen für einen Gefängnisneubau 100 Millionen Euro zu fordern, hatte in letzter Zeit nur die CDU zu fordern gewagt. Jetzt ist der Damm gebrochen: Gestiegene Gefangenenzahlen und Überbelegung befeuern die Debatte. Im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses verkündete Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) gestern, dass sie mit „dem Gedanken schwanger“ gehe, im brandenburgischen Großbeeren eine neue Berliner Männerstrafanstalt mit 650 Haftplätzen errichten zu lassen. Mehr noch: Der Senat habe die erforderlichen Mittel für die Bauplanung bereits in den Haushaltsentwurf 2006/07 eingestellt.

Seit der Wende ist der Zahl der Insassen in den Berliner Gefängnissen nach Angaben der Justizverwaltung kontinuierlich und überproportional angestiegen. Im Oktober 1990 waren es noch 3.000 Insassen, im Februar 2005 erreichte die Zahl mit 5.474 Insassen den bisherigen Höchststand. Bleibe es bei dieser Entwicklung, fehlten bis Ende 2010 über 600 Haftplätze, heißt es. Die Planung, in Großbeeren einen Neubau hochzuziehen, stammt noch aus Zeiten der großen Koalition. Der grüne Übergangsjustizsenator Wolfgang Wieland hatte das Vorhaben 2001 gegen den Willen seines SPD Staatssekretärs Christoph Flügge auf Eis gelegt. Und auch SPD und PDS haben sich 2002 in ihrer Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, Großbeeren werde „in dieser Wahlperiode nicht gebaut“.

Im Männerknast Tegel scheint die Situation untragbar zu sein. Von den insgesamt 1.693 Insassen sitzen zurzeit 180 in Doppelzellen, 45 davon in Zellen, in denen es keine abgetrennte Toilette gibt. Nach Feststellung des Berliner Kammergerichts eine „menschenunwürdige Situation“.

Dazu wurden im Rechtsausschuss gestern mehrere Experten gehört. Einer davon, der Vorsitzende des Berliner Vollzugsbeirats, Olaf Heischel, sagte, er halte viele Probleme für „hausgemacht“. Ein Bespiel: In Berlin würden nur 8 bis 9 Prozent der Gefangenen nach Verbüßung von zwei Dritteln ihrer Haftzeit vorzeitig entlassen. Der Bundesdurchschnitt liege bei 21 bis 22 Prozent. Wenn es in Berlin gelänge, die Quote zu steigern, so Heischel, könnten mehr Luft für das Personal und dadurch bessere Haftbedingungen für künftige Generationen von Gefangenen geschaffen werden.

Auch der Anstaltsleiter von Tegel, Klaus Lange-Lehngut, nahm kein Blatt vor den Mund: Er befürchte gewalttätige Eruptionen unter den Häftlingen, wenn sich die Lage in Tegel weiter zuspitze. Von einer Steigerung der Entlassungsquote hält Lange-Lehngut, Befürworter eines Neubaus, indes nichts. Als Grund nannte er, dass 45 Prozent der Tegeler Gefangenen ohnehin schon aus dem offenen Vollzug kämen, also mit freizügigeren Bedingungen nicht klargekommen sind.

Schuberts Bitte, den Weg für einen Neubau freizumachen, kam bei der PDS gestern nicht gut an. Das gehe ihm viel zu schnell, bremste deren rechtspolitischer Sprecher, Klaus Lederer.