Schales Bier statt Schampus

Mit dem unzureichenden 1:0 gegen Bayern München scheidet ein lethargischer FC Arsenal aus der Champions League aus und demonstriert, wie sehr ihm Stadtrivale Chelsea den Rang abgelaufen hat

AUS LONDON RALF SOTSCHECK

Thierry Henry hatte schlechte Laune. Eigentlich ist der kleine Franzose immer schlecht gelaunt, doch diesmal hatte er allen Grund dazu. Zwar schoss er am Mittwochabend ein Tor für seinen FC Arsenal, aber der 1:0-Sieg gegen Bayern München reichte dem Nord-Londoner Verein nach der 1:3-Niederlage im Münchner Hinspiel nicht, um ins Viertelfinale der Champions League vorzurücken.

Henry wäre aber auch mürrisch gewesen, hätte es mit einem zweiten Tor doch noch geklappt. „Ich komme aus keiner schönen Gegend von Paris“, sagte er vor dem Spiel, „und um von dort wegzukommen, mussten meine Eltern sehr streng mit mir sein.“ Sein Vater sei nie mit ihm zufrieden gewesen, selbst wenn er fünf Tore geschossen hatte. „Er wollte dann wissen, warum ich meinen Mitspielern keine Torvorlagen gegeben habe“, sagte Henry. Deshalb sei er ein Team-Spieler geworden, dessen sehnlichster Wunsch es nach einem Tor ist, sich bei dem Vorlagengeber zu bedanken, statt übermütig zu feiern.

Vorgestern Abend musste sich Henry kaum bedanken, am wenigsten bei sich selbst. Das Überraschende am Spiel war, wie wenig engagiert Arsenal von Anfang an zu Werke ging. Man hatte den Eindruck, dass die Bayern einen Rückstand aus dem Hinspiel aufholen mussten, denn sie kontrollierten das Geschehen in der ersten Halbzeit nach Belieben. Henry lungerte an der Seitenlinie herum, und wenn er den Ball doch einmal bekam, ließ er ihn sich gleich wieder wegnehmen. Von Dennis Bergkamp war gar nichts zu sehen, abgesehen von einem garstigen Foul an Lucio, das durchaus einen Platzverweis wert war. Dabei setzte Arsenal große Hoffnungen auf Bergkamp, der im Hinspiel gefehlt hatte: Der Holländer hat so große Angst vor Flugzeugen, dass er bei Auswärtsspielen zu Hause bleibt, wenn er nicht mit der Eisenbahn anreisen kann.

So etwas wie Atmosphäre kam im Stadion erst nach Henrys Tor auf, denn immerhin hatte Arsenal noch gut 20 Minuten Zeit, um nachzulegen, doch die Versuche blieben stümperhaft. Highbury ist ein echtes Fußballstadion, umgeben von schmalen, zweistöckigen Wohnhäusern mit winzigen Vorgärten. Die Zuschauer sitzen dicht an den Seitenlinien, und wenn sie in Stimmung sind, kann das den Gegner entnerven. Das Stadion ist wunderbar altmodisch, es wurde 1913 gebaut. Aber es ist klein, es passen lediglich 35.000 Menschen hinein. Deshalb spielt Arsenal nur noch eine Saison in Highbury, danach zieht der Verein einen Kilometer weiter nach Ashburton Grove, wo derzeit ein hochmodernes Stadion für 60.000 Zuschauer entsteht.

Das kostet Arsenal 357 Millionen Pfund, und so hat Arsène Wenger, der französische Trainer des Vereins, im Sommer nur 30 Millionen für neue Spieler zur Verfügung. Bei den Fantasiepreisen, die in der englischen Premier League inzwischen bezahlt werden, reicht das höchstens für einen einzigen überdurchschnittlichen Spieler – zu wenig, um im nächsten Jahr in der Champions League besser abzuschneiden, zumal eine Reihe von Stammspielern bereits jenseits der 30 ist.

Dass es mit Geld geht, hat der Lokalrivale FC Chelsea bewiesen, der sich mit Hilfe eines russischen Milliardärs eine schlagkräftige Truppe zusammengekauft hat. Ihr Auftritt am Dienstag gegen den FC Barcelona war um Klassen besser als Arsenals biedere Vorstellung. Die Daily Mail verglich die Spiele von Chelsea und Arsenal mit „einem Champagner-Fest im Moulin Rouge im Gegensatz zu schalem Bier in Bayern“.

Wenger trommelte nach dem Spiel frustriert mit den Fäusten auf eine Reklametafel. Er wusste, dass die englischen Medien, die nie glimpflich mit den Trainern umgehen, über ihn herfallen würden. Das Ausscheiden sei kein Drama, versuchte er in der Pressekonferenz zu beschwichtigen. „Wenn einer von euch aus dem Stadion geht und von einem Auto überfahren wird, wäre das ein Drama“, sagte er. Es nützte ihm nichts. Ob er nicht langsam an seinen Fähigkeiten zweifle, wollte ein Reporter wissen. „Ich habe unsere Fehler noch nicht analysieren können“, entgegnete Wenger. Dafür habe er doch nun sieben Jahre Zeit gehabt, meinte der Reporter. Arsenal ist seit 1998 bei der Champions League dabei, doch spätestens im Viertelfinale war stets Endstation.

Bayern-Trainer Felix Magath hatte dagegen keine kritischen Fragen zu befürchten. Wenigstens sei eine deutsche Mannschaft weitergekommen, sagte er: „Das tut uns allen gut.“ Kann der FC Bayern nun die Champions League gewinnen? „Viele Spitzenteams sind bereits ausgeschieden“, sagte Magath. „Die Gelegenheit ist günstig.“