Fatah-Treffen in Ramallah gestürmt

Angehörige der Al-Aksa-Brigaden erzwingen Abbruch einer Parteiversammlung. Studie: Fatah in der „Identitätskrise“

JERUSALEM taz ■ Rund 20 bewaffnete Aktivisten der Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden haben gestern das Casablanca-Hotel in Ramallah gestürmt und mit Schüssen in die Luft den Abbruch einer Versammlung erreicht. Die Kämpfer der paramilitärischen Gruppe zerbrachen Stühle. Menschen kamen nicht zu Schaden. Die Parteiversammlung mit über tausend Fatah-Mitgliedern stand im Zeichen der für Juni geplanten Parlamentswahlen.

Bezeichnend für die Konfliktsituation waren die Ergebnisse einer von der Fatah in Auftrag gegebenen Studie, die zeitgleich nur wenige Kilometer von dem Zwischenfall entfernt den Journalisten vorgestellt wurde. Laut dem Bericht befindet sich die Bewegung in einer „Identitätskrise“, so Samir Rantisi, Generaldirektor des JIPS (Jerusalem Institute für Peace Studies), das die Studie erstellte. Die Fatah müsse ihre grundlegenden Prinzipien, seien sie „politischer, wirtschaftlicher, sozialer und sogar religiöser“ Art neu definieren, so der Bericht.

Die entscheidende Frage sei, ob die Fatah eine revolutionäre Befreiungsbewegung sein wolle oder eine Partei der palästinensischen Verwaltungsbehörde. „Sobald wir das entschieden haben, wird sich die Frage der paramilitärischen Flügel von selbst klären“, meinte Rantisi. Für die Al-Aksa-Brigaden würde die zweite Option automatisch das Ende bedeuten. Die Kämpfer müssten sich entweder für die palästinensischen Sicherheitskräfte rekrutieren lassen oder ihre Waffen abgeben.

Angesichts der Tatsache, dass „die internationale Gemeinschaft allgemein unglücklicherweise sogar den gerechten bewaffneten Kampf gegen die Besatzer als eine Form des Terrorismus betrachtet“, resümiert der Bericht, sei die „einzige realistische Option“ der Fatah eine „graduelle Transformation in eine moderne politische und Demokratie-praktizierende Bewegung“. Die für den Sommer geplante 6. Fatah-Generalkonferenz wird, so Rantisi, die Weichen stellen. SUSANNE KNAUL