Karami bildet Regierung in Beirut

Der zurückgetretene prosyrische Ministerpräsident wird Übergangspremier im Libanon. Kritik der Opposition

BEIRUT taz ■ Der Neue ist der Alte. Nur zehn Tage nach dem Rücktritt des libanesischen Premierminister Omar Karami wurde er gestern erneut als Ministerpräsident eingesetzt. Präsident Émile Lahoud beauftragte den prosyrischen Karami mit der Bildung einer Regierung, die die Parlamentswahlen im Mai organisieren soll. Karami forderte die Libanesen auf, ihn beim Aufstellen einer „Regierung der nationalen Einheit“ zu helfen, da jede Verzögerung zu einer Zerstörung des Landes führen werde.

Die Opposition zeigte sich erwartungsgemäß wenig begeistert. Sie war nach der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri auf die Straße gegangen und hatte Karami wegen dessen prosyrischer Position zum Rücktritt gezwungen. „Wir sind wieder am Ausgangspunkt angelangt“, erklärt Doreit Vaghy, stellvertretender Vorsitzender der oppositionellen Partei des Drusenführers Walid Dschumblatt, gegenüber der taz aufgebracht. „Es ist klar, wer ihn ernannt hat, das waren nicht die Libanesen“, sagt er im Hinblick auf den anhaltenden syrischen Einfluss im Land.

Im Libanon herrscht de facto ein politisches Vakuum. Nachdem prosyrische Gruppen unter der Schirmherrschaft der schiitischen Organisation Hisbollah vor drei Tagen eine massive Gegendemonstration mit mehreren hunderttausend Menschen veranstaltet hatten, scheint Präsident Lahoud, der von der Opposition als syrische Marionette bezeichnet wird, genug Rückenwind gespürt zu haben, Karami erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die alten Regierungsparteien sagten Karami ihre Unterstützung zu. Das Land brauche schnell eine kompetente Regierung, um die politische und wirtschaftliche Krise in den Griff zu bekommen, argumentieren sie.

Oppositionelle Abgeordnete wie Marwan Hamade drohten dagegen, die neue Karami-Regierung zu stürzen, sollte sie sich nicht als neutral erweisen und die Forderungen der Opposition nach einem vollständigen Rückzug der syrischen Armee und des syrischen Geheimdienstes und nach einer Aufklärung des Anschlages auf Hariri ignorieren. Viele Beobachter glauben, dass es Karami nicht gelingen wird, das Parlament von einer neuen Regierung zu überzeugen, bevor im Mai ohnehin gewählt werden wird.

Der syrische Rückzug scheint trotz innerlibanesischen Streitigkeiten weiterzulaufen. Die syrischen Truppen haben begonnen, aus den südlichen und nördlichen Teilen des Libanon in die ostlibanesische Bekaa-Ebene umzuziehen. Ein steter Strom syrischer Lkws ist den ganzen Tag über auf den Straßen Richtung Bekaa zu sehen. Laut Augenzeugen sollen viele von ihnen auch gleich nach Syrien weitergefahren sein. Auch der syrische Geheimdienst hat begonnen, in Beirut seine Präsenz zu reduzieren. Die Syrer haben keinen genauen Zeitplan für ihren vollständigen Rückzug vorgelegt, aber aus Damaskus heißt es, dass dieser noch vor den libanesischen Wahlen im Mai abgeschlossen sein soll.

KARIM EL-GAWHARY