Chance für günstigere Energiepreise

In nächtlicher Marathonsitzung einigen sich SPD und Grüne auf ein neues Gesetz für den Strom- und Gasmarkt

BERLIN taz ■ Bis fünf Uhr morgens dauerten die Verhandlungen. Dann waren sich die Energieexperten von SPD und Grünen einig über ein Gesetz, das in Deutschland zu sinkenden Strom- und Gaspreisen führen soll. „Ich bin sehr zufrieden“, sagte die energiepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Hustedt, gestern in Berlin. Zu Recht, denn die Grünen konnten in dem Gerangel einige Punktsiege verbuchen.

Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen die Strom und Gasnetze, die in der Regel den großen vier Energiekonzernen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW gehören. Sie berechnen kleineren Anbietern eine Gebühr für die Durchleitung von Strom und Gas zu den Kunden. Die Gebühr macht bis zu 40 Prozent des Strompreises aus. Zukünftig muss dieses Entgelt von der Regulierungsbehörde in Bonn genehmigt werden. „Wir haben damit einen neutralen und unbestechlichen Schiedsrichter“, sagt Hustedt.

Strittig zwischen SPD und den Grünen war, was die Netzbetreiber in ihre Preiskalkulation aufnehmen dürfen. So wollten die Konzerne die Körperschaftsteuer, die sie an den Staat bezahlen müssen, den Kunden in Rechnung stellen. Das hätte etwa 1,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen gebracht. Ein Teil der SPD war dafür, ein anderer und die Grünen waren dagegen.

Der gefundene Kompromiss: Zu den Kosten können die Netzbetreiber eine Rendite von 6,5 Prozent beim Strom und 7,8 Prozent beim Gas hinzurechnen. Die Körperschaftsteuer darf nicht eingerechnet werden – aber nur für etwa ein Jahr. Dann soll der Regulierer nämlich ein Modell zur „Anreizregulierung“ entwickelt haben.

Das Prinzip sieht vor, dass Netzbetreiber auch für sinkende Kosten belohnt werden, indem sie diese nicht sofort an die Kunden weitergeben müssen. Das gilt jedoch nur für fünf Jahre. In diese Kalkulation soll auch die Körperschaftsteuer einfließen dürfen.

Hustedt rechnet aber damit, dass die Kosten dennoch sinken werden. Denn der Regulierer kann ab dem nächsten Jahr neue Renditevorgaben machen – und zwar ohne sich diese vom als konzernfreundlich geltenden Wirtschaftsministerium genehmigen zu lassen. Das hatte zwar der bisherige Gesetzentwurf vorgesehen – das sei aber nun vom Tisch, sagte Hustedt.

Unentschieden ging hingegen der Streit darum aus, ob große Stromverbraucher aus der Industrie einen von allen anderen Kunden mit finanzierten Rabatt in Höhe von 50 Prozent bekommen, wie es die Konzerne und das Bundeswirtschaftsministerium gerne gehabt hätten. Grüne, aber auch Teile der SPD waren dagegen.

Das Ergebnis der Verhandlungen: Für energieintensive Unternehmen darf die Gebühr geringer ausfallen, wenn sie durch ihre großen Abnahmemengen die Netzkosten reduzieren. Bei der Gegenfinanzierung bleibt das Gesetzeswerk allerdings schwammig. Die Kosten für die übrigen Kunden dürften sich „nicht wesentlich“ verteuern, heißt es dort lediglich.

Das Gesetz soll nun nach der Osterpause durch den Bundestag gehen. Dann beginnen die Verhandlungen mit dem Bundesrat. Hier dürfte der größte Streitpunkt sein, wie groß der Einfluss der Länderbehörden auf die Regulierung sein wird.

STEPHAN KOSCH