Hartz-Kröte kampflos geschluckt

Ombudsfrau prüft Lage in Hamburg: Zahl der Widersprüche gegen reduzierte Stütze verschwindend gering. Umsetzung von Hartz IV „sehr ordentlich“. Sozialberater warnen indes vor Beschönigung: Arbeitslose beherrsche Schreck und Resignation

Von Eva Weikert

Hamburgs Stützebezieher nehmen den Sozialabbau durch das neue Hartz-IV-Gesetz widerstandlos hin. „In Hamburg gibt es nur sehr wenige Widersprüche gegen die Leistungsbescheide“, lobte gestern Ombudsfrau Christine Bergmann, die zur Begutachtung der Hartz-Umsetzung aus Berlin angereist war. So würden hier gerade mal 1,3 Prozent der Bescheide juristisch angefochten – im Bundesschnitt liege die Widerspruchsquote dagegen bei sieben Prozent, und in manchen ostdeutschen Ländern wehre sich sogar die Hälfte aller Betroffenen. „Die Umsetzung von Hartz IV“, bilanzierte die Ex-Bundesfamilienministerin von der SPD, „ist in Hamburg bisher sehr ordentlich gelaufen.“

Als Mitglied eines Ombudsrates (siehe Kasten) tourt Bergmann zurzeit durch die Republik, um die Umsetzung der im Januar gestarteten Radikalreform vor Ort zu prüfen. In Hamburg musste sie ihren Besuch in der Arbeitsgemeinschaft (Arge) aus Kommune und Arbeitsagentur wegen Zeitnot jedoch kippen. Die Arge kümmert sich um die rund 120.000 Bezieher des Arbeitslosengeldes II (ALG II), zu dem Sozial- und Arbeitslosenhilfe fusioniert sind. Vor allem bisherige Arbeitslosenhilfebezieher stellt es finanziell schlechter.

Nach Austausch mit Arbeitsagenturchef Rolf Steil urteilte Bergmann: „In Hamburg läuft die Zusammenarbeit in der Arge offensichtlich sehr gut.“ Nach der „Wahnsinnsarbeit der Geldumstellung“ müsse nun aber die Förderung der Langzeitarbeitslosen etwa durch Ein-Euro-Jobs beginnen. Lobenswert sei, dass Hamburg 11.000 der „begehrten Zusatzjobs“ plane, so Bergmann: „Das ist ein hohes Ziel.“

Arge-Chef Bernhard Günther komplettierte das Schönwetter-Szenario: Dass von den 89.000 ALG-II-Bescheiden, die zum Januar in Hamburg verschickt wurden, zurzeit nur 1.169 angefochten werden, „liegt daran, dass wir bei offensichtlichen Unrichtigkeiten unbürokratisch reagieren“. Zugleich räumte Günther aber Mängel im „Ausbildungsstand“ seiner Mitarbeiter ein. Der Schulungsbedarf „ist erheblich“, befand Bergmann.

Widerspruch rege sich vor allem gegen die Höhe der Stütze, die Anrechnung von Vermögen und die Berechnung der von der Kommune zu tragenden Unterkunftskosten. Ob wegen der 345-Euro-Grundsicherung schon Hamburger umziehen mussten, so Günther, „weiß ich persönlich nicht“. Für den Bund versicherte Bergmann, „was an großen Katastrophen prophezeit wurde, war in keinster Weise berechtigt“.

Anwälte und Sozialberater stimmen in das Loblied indes nicht ein. „Im Januar war in der Arge keiner zu erreichen“, so Anwalt Jörg Käding. Für Widersprüche, die er damals verschickte, habe er nie Eingangsbestätigungen erhalten. „Wo die gelandet sind, ist nicht nachvollziehbar.“

Dass alles rund laufe, „ist Beschönigung“, rügte auch Heike Peper von der Beratungsstelle Biff in Eimsbüttel. Viele Betroffene, die in die Biff-Sozialberatung kämen, seien über ihre Rechte zu schlecht informiert, warnte Peper. Der Großteil traue sich auch nicht mehr, Ansprüche zu stellen: „Die Leute beherrscht eine Mischung aus Schreck und Resignation.“ Zugleich monierte die Biff-Chefin, versprochene Födermaßnahmen für Jobsuchende würden „nur sehr schleppend“ umgesetzt. Und auch flankierende Hilfe wie Sucht- und Schuldnerberatung sei nicht in Sicht.