KABELJAU VOR GRÖNLAND IST NICHT NUR EINE GUTE NACHRICHT
: Leben die einen, sterben die anderen

Deutsche Forscher wollen wachsende Kabeljau-Bestände um Grönland entdeckt haben, die in drei bis fünf Jahren zur Fangreife herangewachsen sein sollen. Die Fischereipolitik der Europäischen Union darf jetzt beweisen, dass sie dieser vorsichtig wachsenden Population nicht gleich wieder das Genick bricht, indem sie die Jagd erlaubt. Der Kabeljau braucht die Chance zu einem dauerhaften Aufbau eines neuen Bestands. Die Pläne dafür müssen jetzt entwickelt werden.

Der grönländische Jungkabeljau erwuchs aus herübergeschwemmten Larven der benachbarten isländischen Kabeljau-Bestände. So gesehen hat der isländische Kabeljaukrieg von 1972 dem Fisch die Rettung gebracht. Die aufmüpfigen Isländer haben sich erfolgreich gegen die rücksichtslos gefräßige Fischwirtschaft Europas gewehrt. Mit ihren wendigen Küstenwachschiffen tricksten sie die britischen Kriegsschiffe und deutschen „Schutzboote“ aus, schnitten den Fischtrawlern beider Nationen reihenweise die Netze ab und vertrieben sie mit gewagten Ramm-Manövern. Bevor der erste EU-Trawler in einigen Jahren vom vielleicht dann tatsächlich wiederauferstandenen Grönland-Kabeljau profitiert, sollte Brüssel den Isländern für die damals einseitig ausgerufene Fünfzigmeilen-Wirtschaftszone und seine ausgefuchsten Kapitäne ein Dankeschön zollen.

Doch ein kräftiges Bestandswachstum könnte auch ein Alarmzeichen sein. Der Kabeljau profitiert ganz offensichtlich von der Dank des Treibhauseffekts gestiegenen Temperatur rund um Grönland. Dänische Klimaforscher prophezeiten schon vor vier Monaten, dass die Klimaerwärmung als Erstes eine Kabeljau-Schwemme in den grönländischen Gewässern erzeugen würde. Später würde der Wald die grönländischen Küstenstriche erobern und viele Tier- und Pflanzenarten ganz verschwinden. In Meeresgebieten wie der Nord- und Ostsee würde der Kabeljau dann endgültig aussterben. Dort wird es für ihn zu warm werden. Irgendwie scheinen dem Kabeljau keine uneingeschränkt positiven Nachrichten vergönnt zu sein.

REINHARD WOLFF