Das Versammlungsrecht befriedigt nur den deutschen Verbotswahn
: Nazis gibt es immer noch

In der Disziplin des Verbietens sind wir Deutschen traditionell Spitzenklasse, das gilt für unsere Hausmeister wie für unsere Politiker. Wenn es ums Verbieten geht, werden sogar Gegner schnell mal zu Freunden – so wie gestern, als Regierungskoalition und Opposition im Bundestag gemeinsam für die Verschärfung des Versammlungsrechts stimmten. Das neue Verbot von Nazi-Aufmärschen an historisch bedeutsamen Gedenkorten zeigt, warum Verbieten ein so beliebtes politisches Instrument ist: Seit den Überraschungserfolgen der Rechtsextremen in Ostdeutschland im vergangenen Herbst standen die demokratischen Parteien unter Handlungsdruck. Jetzt haben sie etwas getan. So einfach.

Der Haken: Probleme lassen sich im seltensten Fall einfach so verbieten. Die neuen Demonstrationsregeln ersparen uns vermutlich einige Peinlichkeiten. Wenn Neonazi-Horden vor historischer Kulisse nicht mehr posieren dürfen, müssen wir uns nicht für dieses hässliche Gesicht unseres Landes schämen. Doch die rechtsextremen Strategen verlieren damit nur einen Propagandakanal, einen von vielen. Vor allem die NPD war im Wettlauf der Parteien um Schlagzeilen und TV-Minuten in den vergangenen Monaten ziemlich kreativ.

Wenn künftig der Weg zum Brandenburger Tor versperrt ist, werden sich die Provokateure eben andere Pfade suchen. Der sächsische Landtag, Medieninterviews, Wahlkampfveranstaltungen, Internetseiten – an alternativen Plattformen für die Rechtsextremen und ihr Gedankengut fehlt es nicht. Das neue Versammlungsverbot ist deshalb als Mittel im Kampf gegen den Rechtsextremismus ähnlich Erfolg versprechend wie ein Rauchverbot in Bahnhöfen als Strategie zur Suchtbekämpfung.

Also: Freie Bahn für Neonazis? Eben nicht. Es gibt aktuelle Beispiele, die zeigen, wo gerade Richter zu Recht Grenzen markiert haben. Exemplarisch dafür ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall der Rechtsrockgruppe „Landser“. Für diesen Schuldspruch taten es allerdings auch die geltenden Paragrafen des Strafgesetzbuchs.

ASTRID GEISLER