Pingpong zwischen Ober- und Unterhaus

Die britischen Lords sind noch immer nicht gewillt, den neuen weitreichenden Antiterror-Gesetzen der Regierung Blair ohne Veränderungen zuzustimmen. Es drängt: Die alten, nach dem 11. September verabschiedeten Gesetze sind ab morgen ungültig

VON RALF SOTSCHECK

Das Pingpong-Spiel geht weiter. Das neue Antiterrorismus-Gesetz, das die britische Regierung gerne verabschieden möchte, ist vorletzte Nacht zum dritten Mal von den Lords verworfen und ans Unterhaus zurückverwiesen worden. Nach einer Nachtsitzung entschieden die Abgeordneten gestern früh um fünf, dem Oberhaus das Gesetz erneut unverändert vorzulegen. Am Nachmittag schickten die Lords es zum vierten Mal zurück. Dabei ist Eile geboten: Das bisherige Gesetz, nach den Anschlägen vom 11. September im Eilverfahren eingeführt, gilt nur noch bis Sonntag um Mitternacht. Es ermöglichte, Ausländer in Großbritannien ohne Anklage oder Beweise zu internieren. Dafür reichte die Überzeugung des Innenministers, dass die Betroffenen zum Terrorismus neigten. Die Lordrichter, Großbritanniens höchste Gerichtsinstanz, urteilten im Dezember, das verstoße gegen die Menschenrechte.

Die neuen „Kontrollmechanismen“, wie Innenminister Charles Clarke sein Gesetz nennt, sollen nicht nur für Ausländer gelten, sondern auch für Briten. Die vorgesehenen Maßnahmen beinhalten abendliche Ausgehverbote, elektronische Überwachungsarmbänder und Hausarrest. Außerdem kann den Betroffenen der Zugang zum Telefon oder dem Internet gesperrt und der Kontakt zu bestimmten Personen verboten werden.

Nach einer Revolte der eigenen Hinterbänkler Anfang der Woche gestand Clarke zu, dass wenigstens der Hausarrest von einem Richter abgesegnet werden muss. Damit brachte er die Unterhausmehrheit hinter sich. Das Oberhaus konnte er damit jedoch nicht zufrieden stellen. Die Lords bestehen darauf, dass die Gültigkeit des Gesetzes auf ein Jahr beschränkt wird. Darüber hinaus finden sie, dass ein „begründeter Verdacht“ nicht ausreicht.

Wütend darüber zeigt sich Premierminister Tony Blair: Die Lords, sagte Blair, „müssen einfach kapieren, dass es unverantwortlich ist, dieses Gesetz weiter zu verwässern“.

Das Tauziehen hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass ein Richter die Freilassung von zwölf Muslimen, die nach dem alten Gesetz seit dreieinhalb Jahren ohne Anklage im Belmarsh-Gefängnis festgehalten wurden, angeordnet hat. Unter den ersten fünf, die gestern Nachmittag freikamen, ist Abu Qatada, den die Regierung für „Ussama Bin Ladens spirituellen Botschafter in Europa“ hält.