Schreibwerkstatt mit Publikum

In Berlin gehören sie längst zum Literaturbetrieb dazu, in Köln waren sie bisher noch unbekannt: Drei Kölner Schriftsteller haben die erste Lesebühne der Stadt gegründet

KÖLN taz ■ Wenn sich eine Gruppe von Schriftstellern regelmäßig trifft und vor Publikum Auszüge aus ihren neuen Werken liest, wird das „Lesebühne“ genannt. In Berlin gibt es Lesebühnen laut Enno Stahl „wie Sand am Meer“ – in Köln dagegen bisher gar nicht. Zumindest bis vergangenen Freitag, an dem acht Schriftsteller vor rund 40 Literaturliebhabern in den Räumen der Nyland-Stiftung am Brüsseler Platz die erste Kölner Lesebühne abhielten.

„Das Besondere an der Lesebühne ist ihre Regelmäßigkeit“, sagt Autor Enno Stahl, der mit den Schriftstellern Adrian Kasnitz und Achim Wagner das Projekt organisiert hat. „Dadurch kriegt sie den Charakter einer Autorenwerkstatt.“ Stahl und seine Kollegen bilden den Autorenstamm der Lesebühne. Aber durch die Auftritte fester Gastautoren wird ein Forum für Schriftsteller geschaffen, die sonst in Köln nicht zu erleben sind. Außerdem soll ambitionierten Kleinverlagen aus Nordrhein-Westfalen die Gelegenheit gegeben werden, sich dem Kölner Publikum vorzustellen.

Wie sprichwörtlich der Werkstattcharakter einer Lesebühne sein kann, demonstrierte der Künstler und Autor Ulrich Bogislav, der vor Beginn seiner Lesung konstatierte, dass jetzt genau der richtige Moment sei, „um Bier zu holen“. Statt eines Manuskripts hatte Bogislav die von seinem Lektor geschickten Korrekturfahnen seiner jüngsten Geschichten mitgebracht. Er las unter anderem eine aus seinem neuen Buch gestrichene Geschichte, in der er dem Eingangsportal eines Arbeitsamtes die Aufschrift „arbeitslos macht frei“ verpasst hat. „Wahrscheinlich wurde sie mir deswegen gestrichen“, vermutete Bogislav.

Aber auch die übrigen Autoren des Abends, darunter Marcel Diel, Guy Helminger oder der aus Berlin angereiste Lyriker HEL, überzeugten das Publikum davon, dass die Einrichtung einer Lesebühne in Köln eine gute Idee war. BENJAMIN TRIEBE

Die Lesebühne findet an jedem dritten Donnerstag im Monat statt, nächster Termin ist der 21. April