Eisbären sind springfidel

Trotz einer peinlichen 2:7-Niederlage in Düsseldorf sind die Eisbären richtig gut drauf. Das liegt am jungen Team, einem eigens angestellten Verteidigungstrainer und nicht zuletzt an „Godzilla“ – dem 1,90-Meter-Tormann Kölzig mit Hang zu Emotionen

VON MARCUS VOGT

Überraschend war es schon. Am Freitagabend besiegten die Eisbären den ERC Ingolstadt mit 5:4 und erklommen dank des fünften Sieges in Folge zum ersten Mal in dieser Saison Platz eins in der Hauptrunde der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Doch Euphorie war kaum zu spüren im Wellblechpalast. „Wir sind schon letztes Jahr sehr nüchtern an die Sache herangegangen“, meint Pressesprecher Moritz Hillebrand vor dem letzten Hauptrundenmatch gegen Düsseldorf.

Und das hat seinen Grund, auch wenn man von der gestern prompt kassierten peinlichen 2:7-Niederlage in Düsseldorf absieht. Die Ostberliner scheiterten als Hauptrundenprimus und Favorit im Finale 2004 beziehungsweise Halbfinale 2003. Co-Trainer Hartmut Nickel notiert Rang eins dennoch positiv: „Wenn man den Bonus der Nummer eins besitzt, kann das für die Play-offs beflügeln und das sollte man nutzen.“

Zumal die Hohenschönhauser eine fast zweimonatige Durststrecke zu Beginn der Hauptrunde überwunden und passend im Endspurt zugelegt haben. Das Formhoch hängt auch mit dem jetzt besser funktionierenden Powerplay zusammen, was lange ein Problem darstellte. Oder ist die Leistungssteigerung doch eher dem leichten Restprogramm zu verdanken?

Den Fans ist das egal, denn die kamen wieder zahlreicher in den „Welli“ als vor der Jahreswende. Dennoch ging der Schnitt mit etwa 4.400 Zuschauern pro Spiel um rund 200 nach unten im Vergleich zur Saison vor zwei Jahren. Für den zuletzt wieder gestiegenen Zuspruch sind auch drei Herren aus Übersee verantwortlich. „Der Lockout ist ein Glücksfall für uns, da wir die kontinuierlich verbesserte Mannschaft durch NHL-Spieler weiter verstärkten“, verweist Nickel auf den Umstand, dass mit Olaf Kölzig, Eric Cole und Nathan Dempsey drei gestandene Akteure der nordamerikanischen Profiliga verpflichtet wurden.

Dort konnten sich Spielergewerkschaft und Verbandsfunktionäre nicht auf finanzielle Modalitäten einigen, die Saison wurde abgesagt, weshalb fast 400 Spieler bei europäischen Clubs anheuerten. Der EHC war gut beraten, mit Kölzig, der 2000 in der NHL zum Goalie der Saison gewählt wurde, einen Torwart zu verpflichten, „der vielleicht nur bei acht Teams in der Welt nicht die Nummer eins wäre“, sagt Sprecher Hillebrand.

Denn vor allem auf die Torhüter kommt es im Play-off an, und da könnte der 34-Jährige, in früheren Jahren wegen seiner Größe von 1,90 Metern und seiner emotionalen Ausbrüche auch „Godzilla“ genannt, den entscheidenden Unterschied machen, zumal er die Erfahrung von 589 NHL-Partien mitbringt. Oliver Jonas, die alte Nummer eins, war natürlich frustriert. „Wenn das Team besser werden kann, muss immer einer geopfert werden“, hakt aber Stürmer Kelly Fairchild den Torwartwechsel ab. Mit ihm hat einer der zuverlässigsten Eisbären-Scharfschützen der letzten Jahre auch seine Form wieder gefunden – er traf nach einer Handoperation in den letzten vier Partien viermal.

In Form ist nach anfänglichen Problemen auch NHL-Mann Cole. Durch seinen wuchtigen Körpereinsatz könnte er in den Play-offs viel reißen, auch wenn seine Ausbeute nicht optimal ist. „Entweder liegt er im Tor oder der Puck – meistens er“, mault ein Kollege. Auch NHL-Verteidiger Dempsey wartet mit immer besseren Leitungen auf, wozu etwa ein sehenswertes Tor gegen Ingolstadt zählt. Dennoch ist die Defensive trotz eines Olaf Kölzig noch eine Problemzone, weshalb vor zehn Tagen mit Don Jackson extra ein Verteidigertrainer geholt wurde. Der Kanadier gewann Mitte der 80er zweimal die begehrteste Trophäe im internationalen Eishockey, den Stanley-Cup, und hilft mit seiner Routine gerade den jüngeren Spielern.

Nicht nur deshalb steht eines für Chefcoach Pierre Pagé fest: „Wir sehen jetzt die beste Eisbären-Mannschaft der letzten drei Jahre, und die ist im Schnitt drei Jahre jünger.“ Vor diesem Hintergrund ist auch Pagés Assistent Nickel sicher: „Pierre und ich gehen nicht aus der Halle, bevor wir Gold haben. Und wenn’s fünf Jahre dauert.“ Na denn.