Die Selbstbedienungsmaschine

In einer textlastigen, aber sehenswerten Ausstellung in der Urania rollen Bürgerinitiativen den Berliner Bankenskandal auf. Die Schau erzählt von Gier, Inkompetenz und viel krimineller Energie

VON ULRICH SCHULTE

Einer der ersten Besucher, ein alter Mann, brummt in seinen Schal: „Ha!“ Noch einmal sagt er das leise und dann laut: „Das ist ja eine Geschichte.“ Wohl wahr, es ist eine oft erzählte, aber immer noch unglaubliche Geschichte, die die Initiative „Bürger gegen den Bankenskandal“ seit gestern in der Urania zeigt.

Der Berliner Bankenskandal wuchs sich zu einem der größten Finanzskandale der Bundesrepublik aus, er wird die Landeskasse noch Jahrzehnte schröpfen. Mit Gründung der „Bankgesellschaft Berlin Aktiengesellschaft“ einte die große CDU-SPD-Koalition am 1. Januar 1994 die Landesbank Berlin, die – in die Krise geratene – Berliner Bank und die Berlin Hyp. Der Senat wollte im Einheitsrausch eine Landesbank, die in der Bundesliga spielt, als netten Nebeneffekt konnte er miserables Wirtschaften bei der Berliner Bank verschleiern. De facto entstand eine riesige Selbstbedienungsmaschine für die angebliche politische und wirtschaftliche Elite der Stadt.

Es braucht schon Interesse und Ausdauer, um sich durch die 21 Texttafeln zu lesen, die den Skandal kompetent und chronologisch aufbereiten. Das Vokabular ist engagiert, manchmal polemisch, viel ist von „Gier“, „krimineller Energie“ und „eklatantem Versagen“ die Rede. Die Sprache stört nicht, im Gegenteil, sie spitzt die vielen Details pointiert zu und macht Zusammenhänge klar. Und schließlich ist wohl jedes Wort wahr.

Manchmal gelingt gar eine ironische Pointe, was jeder, der Veranstaltungen von Bürgerinitiativen kennt, dankbar zur Kenntnis nimmt: Auf Tafel 3 listen die AktivistInnen die Gründungsmannschaft unter dem Schlagwort „Die Gigantomanen“ auf. Edzard Reuter (SPD) etwa, den ersten Aufsichtsratschef – und fügen perfiderweise seine Ehrenämter (Ehrenbürger Berlins, Ehrenvorsitzender im Bankgesellschafts-Aufsichtsrat) hinzu. Auch der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) muss sich das gefallen lassen (Träger Großes Bundesverdienstkreuz, Ehrenvorsitzender der CDU). Eine Aktivistin sägte etwas dicklich geratene Haifische aus Sperrholz, versah sie mit aufschlussreichen Inschriften („Landowsky 19.812 Euro monatliche Pension“) und hängte sie unter die Decke.

Flankiert von einer Hörstation, in der ein 26-minütiges Radiofeature zum Thema läuft, und zwei Fernsehern, die ebenfalls Beiträge zeigen, erzählen die Tafeln nichts grundsätzlich Neues. Dennoch ist lesenswert, wie sich Strippenzieher Klaus-Rüdiger Landowsky 1996 mit nicht weniger als 18 (achtzehn) Posten selbst versorgte – so saß der CDU-Fraktionschef und Vorstand der Bankgesellschaft etwa auch in den Aufsichtsräten der Revisionsbank AG und der Deutschen Bau- und Bodenbank.

Wie dubios und dumm Berlins Weltbanker zu Werke gingen, illustrieren am besten die Rundum-sorglos-Fonds, die am meisten zur Schieflage beitrugen: Garantierte Ausschüttungen bis zu 7 Prozent über 30 Jahre inklusive einer Steuerabschreibungsmöglichkeit der investierten Summe von 85 Prozent machten Lust aufs Zeichnen. Promi-Fonds mit noch generöseren Bedingungen bedachten Günstlinge.

„Was kostet uns das?“, fragt die Schau zum Schluss. Nun, 2001 waren 1,755 Milliarden Euro aus der Landeskasse fällig, ab 2004 sind im Schnitt 300 Millionen jährlich für 25 Jahre veranschlagt – insgesamt 6,4 Milliarden. Die Risikoabschirmung hat gar ein Volumen von 21,6 Milliarden. Die OrganisatorInnen um die Bürgerinitiative mussten jedenfalls ihre 30.000 Euro für die gestrige Eröffnungsveranstaltung und die Ausstellung durch Spenden akquirieren. Lesungen ergänzen die Ausstellung.

Bis 14. April, täglich von 12 bis 23 Uhr im Foyer der Urania, An der Urania 17