Unterm Funkturm lockt die Sonne

Auf der Tourismusbörse, die noch bis Dienstag nur für Fachbesucher öffnet, präsentieren sich 10.400 Aussteller – so viele wie nie zuvor. Tausende kommen zum Schauen – und werden wie Zaungäste behandelt. Ein Rundgang

Draußen schneeregnete es, ein eiskalter Wind pfiff um die Ausstellungshallen am Funkturm, während drinnen Singapur-Schönheiten grazil vortanzten. Die diesjährige Internationale Tourismus-Börse (ITB) bietet noch mehr an, ist noch größer und noch besser besucht, versichern sich gegenseitig die Besucher. Einer mit Seidenblouson, Beck’s-Bier in der Hand und Dom-Rep-Tasche überm Arm rennt verwirrt herum und sucht den Mallorca-Stand. Die anderen sind die gehetzten Journalisten, die von Pressekonferenz zu Podiumsdiskussion hechten, und sich darüber unterhalten, wie alt die Berliner Hallen sind und wie viel besser München ist. Am Radio-Multikulti-Stand, gleich bei Schropps-Weltkarten, versucht ein Standmann dezent die Kugelschreiber vor dem Zugriff der Vorbeigehenden zu sichern. Die haben anderswo schon Trophäen ergattert: Schlüsselbänder, Schirmkäppis und koreanische Fächer. Doch Unzufriedenheit ist am Kaffeestand zu hören: „Im letzten Jahr gab’s aber mehr Reisen zu gewinnen,“ sagt eine.

Dass die ITB überhaupt ihre Türen für die Endkundschaft öffnet, scheint mehr ein Zugeständnis als Konzept zu sein. Lästig, so mutet es an, sind den Ausstellern die Prospektewälzer. Genau abgezählt liegen die teuren Broschüren aus, Kaffee und Getränke nur gegen Cash und Kommerz – im abgetrennten Businessbereich aus Pappmaschee. Nur die koreanischen Aussteller wollen wohl nicht einsehen, dass es hier nicht um die Neugierigen geht. Sie verteilen kunstfertig und unbeirrt kleine koreanische Kimchi-Häppchen. Schließlich steht in Südkorea das Jahr 2005 unter dem Motto „Deutschland“: Sowohl auf der Buchmesse in Frankfurt als auch auf den Asien-Pazifik-Wochen im September in Berlin ist es das Partnerland. Da kann ein bisschen Catering nicht falsch sein, um mehr Appetit auf das touristisch unentdeckteste Land Asiens zu machen.

Am Berlin-Stand tun abends die Füße weh – und die Bilanz ist auch nicht prickelnd. Hier, wo das Berlin-Tourismus-Marketing die Besucher der Halle 12 mit Riesenplakatwänden über die Zukunft Berlins als Sportstadt aufrüttelt, ist man skeptisch. Kaum jemand habe sich diesmal für die Stadt interessiert, monieren ein paar Damen diverser Hotels. Die Berliner seien durchgelaufen in die Karibik, die Fachleute wollen für das WM-Jahr 2006 höchstens noch Billigkontingente ergattern. Als die Damen hören, man sei von der Presse, juxt eine, jetzt müsse man aber vorsichtig sein, um gleich darauf loszumeckern. Viel zu teuer seien die Berlin-Stände, dreieinhalbtausend Euro für ein Tischchen, das könnten sich die Mittelklassehotels kaum noch leisten. Überhaupt, man habe völlig verschlafen, das Einstein-Jahr richtig zu vermarkten. Tatsächlich, am Einstein-Stand gegenüber ist rund um das große E gähnende Leere. Ein paar Meter weiter guckt nur der Plastikdinosaurier vom Potsdam-Stand noch frisch. Über seinem Kopf prangt in großen Lettern: „Wir bewerben uns als Kulturhauptstadt Europas 2010“. Quer darüber wurde jüngst ein anderes Schild geklebt: „Wir gratulieren Essen und Görlitz zur Nominierung“.

ADRIENNE WOLTERSDORF