Hansa schwingt auf

Rostock gewinnt mit 3:1 gegen den VfL Bochum und wagt es wieder, ganz vorsichtig vom Klassenerhalt zu träumen

ROSTOCK taz ■ Wenn die heim- auf die auswärtsschwächste Mannschaft in der Bundesliga trifft, dann lässt das einen Einblick in das Wesen des Erfolgs zu. Es ist eine dieser einfachen Wahrheiten, dass das beste Erfolgsrezept im Zweifelsfalle immer noch der Erfolg ist, wobei es sich hier um ein sich durch sich selbst erfüllendes Phänomen handelt. „Solange es Fußball gibt, wird das immer so sein. In 20, 50 und auch in 100 Jahren“, erklärte Peter Neururer. Ihm und seinen Bochumern gelang in Rostock zum neunten Mal in Folge kein Auswärtserfolg, was maßgeblich dazu beiträgt, dass Bochum mittlerweile so erfolglos dasteht – auf Platz 17 nämlich, acht Punkte weg vom Nichtabstiegsplatz. Neururer nennt das „diese komische Spirale, die einen immer weiter nach unten zieht“.

Auf der Pressekonferenz am Samstag referierte Neururer ausgiebig zum Thema Erfolg und äußerte dabei auch seine „maßlose“ Enttäuschung über die eigene Elf. Dann dünkte es ihm nach einer Feierabend-Zigarette. Noch am Rednertisch zündete er die Tabakrolle und lehnte sich in den Sessel zurück. Wer wollte ihm das verdenken. Er hatte beim 1:3 wahrlich keinen schönen Tag im Ostseestadion verlebt. Das ZDF platzte völlig unsensibel in Neururers Entspannungsübung, was dieser mit dem flugsen Ausdrücken des Suchtmittels und der Bemerkung quittierte: „Ihr kommt ungünstig, dass kann ich echt nicht nachvollziehen.“ Er versprach der ZDF-Kamera, dass „wir nicht aufgeben werden und dass jetzt neun Endspiele“ anstünden. Nachdem diese letzte Hürde genommen war, kramte der Trainer den ausgedrückten Stumpen wieder aus und entfachte ihn zum endgültigen Genuss neu.

Ein ausgedrückter Stumpen war auch Hansa Rostock vor neun Tagen noch. Ausgedrückt, abgeschrieben, Tabellenletzter. Doch der Stengel glimmt wieder. Nach zwei Siegen in Folge wurde der Aufschwung Ost ausgerufen – Hansa hat sich auf Platz 16 vorgearbeitet – und die schlichte Erklärung für dieses Erfolgserlebnis ist: ein Erfolgserlebnis. „Die beste Medizin ist Erfolg“, sagte Jörg Berger, der das Freudenfest lässig mit den Händen in den Hosentaschen verfolgte. Der als Retter Engagierte musste in Rostock freilich zehn (!) Spiele warten, bis ein Erfolg den Erfolg einstellte. Doch seit dem Auswärtssieg in Hannover scheinen in Rostock alle Dämme zu brechen. Sogar die gigantische Heimserie von zwölf sieglosen Spielen in Folge. Bei Nummer 13 kehrte der Erfolg zurück.

Was eine erfolgsgeschmierte Fußballerseele ausrichten kann, zeigte sich eindrucksvoll in der 52. Minute. Rade Prica, Schütze des Siegtreffers in Hannover, bekam an der Mittellinie vom Gegner den Ball in die Füße gelegt – und rannte los, an Feind und Freund vorbei. Seinen Kollegen Jari Litmanen rannte er fast um, bevor er den Ball aus 20 Metern Rein van Duijnhoven zum 2:0 in den Winkel knallte. Der war geradezu erstarrt bei dieser Aktion und rührte keinen Finger. „Das war ein sehr schönes Gefühl“, beschrieb Prica seinen ekstatischen Antritt. Die anderen beiden Treffer besorgte Antonio Di Salvo (36./59.). „Wir wollten vor diesem Spiel Bochum einholen, das haben wir geschafft. Als nächstes ist Mainz dran“, frohlockte der Stürmer. Die Mainzer sind zwar sieben Punkte weg, aber Erfolg verwischt gern die Relationen.

Der Dreierpack gegen Bochums Torhüter van Duijnhoven war für die Hanseaten eine besondere Herzensangelegenheit. Der VfL-Keeper hatte vor der Partie getönt: „Samstag um 17.15 Uhr werden wir die Hoffnungen von Hansa Rostock beendet haben“, und auch sonst noch die ein oder andere abfällige Bemerkungen über den Osten fallen lassen. Der Torhüter hatte damit die Pfiffe und Schmähgesänge der Fans verdient – und um 17.20 Uhr beendete Rostock vorerst die Hoffnung von Bochum, denen durch Edu (69.) nur der Ehrentreffer gelang.

Auf den VfL wartet nun, mehr noch als auf Rostock, die zweite Liga. Und auf Peter Neururer schwere Tage. Schon vor längerer Zeit sagte der VfL-Trainer gesagt, dass er von sich aus den Hut nehmen wolle, sollte er die Mannschaft nicht mehr erreichen. Am Samstag sagte er: „Ich werde die Mannschaft jetzt fragen und gegebenenfalls in dieser Woche mit dem Präsidenten sprechen“.

DIRK BÖTTCHER