Endgültiger Abpfiff nach Morddrohungen

Der Schwede Anders Frisk, einer der weltbesten Fußballschiedsrichter, beendet überraschend seine Laufbahn

Die üblichen Sprüche von den Rängen, dass man wisse, wo er sein Auto parke, haben Anders Frisk nie weiter beunruhigt. Doch was er in den letzten beiden Wochen nach dem von ihm geleiteten Achtelfinale der Champions League zwischen Barcelona und Chelsea erlebte, habe jedes Maß überschritten. Todesdrohungen per Mail, Telefon und Post. Als „Rücksicht auf meine Familie“ erklärte er am Samstag gegenüber dem Stockholmer Aftonbladet seinen überraschenden Beschluss, mit sofortiger Wirkung seine Schiedsrichterkarriere zu beenden: „Ich konnte meine Kinder nicht mehr allein zum Briefkasten gehen lassen.“

Frisk ist seit Jahren absoluter Top-Schiedsrichter. 2004 wurde er von der IFFHS (International Federation of Football History and Statistics) zum weltweit drittbesten Schiedsrichter gewählt und war eine sichere Wahl für die WM 2006 in Deutschland.

Nach besagtem Spiel in Barcelona, bei dem er dem Chelsea-Spieler Didier Drogba eine umstrittene gelb-rote Karte gezeigt hatte, war Frisk von Trainer José Mourinho vorgeworfen worden, er habe den Barcelona-Coach Riikjard in der Halbzeitpause in seiner Kabine empfangen. Eine glatte Lüge, so Frisk. Die folgenden Drohungen hätten die letzten 16 Tage „zu den schlimmsten meines Lebens“ gemacht.

Sprecher des schwedischen Fußballverbands bedauerten Frisks Schritt und äußerten sich kritisch gegenüber Chelsea-Verantwortlichen, weil deren Spieler und Fans regelrecht gegen den Schiedsrichter „aufgehetzt“ hätten. Frisk sieht das ähnlich, nimmt jedoch die Chelsea-Anhänger grundsätzlich in Schutz: „Das war meine Lieblingsmannschaft, schon als kleiner Junge.“

Als Fünfjähriger sammelte er die Tragenetze von Apfelsinen, und baute daraus im Hausflur Tore, auf die er dann zielte. Zu einem richtig guten Fussballspieler reichte es aber nicht. So fing er als 15-Jähriger lieber mit der Schiedsrichterei an – zunächst mit etwas eigenwilliger Regelauslegung. Bei seinem ersten Spiel pfiff er nach einer Viertelstunde zur Halbzeit. Die dafür extra eingekaufte Stoppuhr ging nicht länger. Später lernte er die Regeln besser und erhielt 1991 seine Fifa-Lizenz.

Ins Kreuzfeuer der Kritik geriet der 42-Jährige in den letzten Monaten. Im Juni 2004 wurde er Ziel eines holländischen Entrüstungssturms, als die Niederlande das EM-Semifinale gegen Portugal aufgrund eines von ihm nicht anerkannten Tors verloren. Beim Champions-League-Match zwischen AS Roma und Dynamo Kiew im September wurde er beim Gang zur Pause von einer Münze getroffen und brach blutend zusammen. Drei Monate später bewarfen ihn Zuschauer in Valencia beim Champions-League-Spiel zwischen Valencia und Werder Bremen mit Gegenständen. Dann das Chelsea-Spiel. „Eine Häufung solcher Vorfälle ist kein Zufall“, kommentierte der Expressen Tage vor Frisks Rücktritt: Werde ein Schiedsrichter regelmäßig Hauptperson auf dem Spielfeld, sei es Zeit zumindest an ein Time-out zu denken.

REINHARD WOLFF