jobgipfel
: Über große und kleine Blockierer

Bitte schalten Sie Ihren Fernseher aus, legen Sie die Zeitung zur Seite, hören Sie auch keine Nachrichten im Radio. Denn die kommende Woche wird fürchterlich. Wie fürchterlich, darauf gab es am Wochenende einen Vorgeschmack. Erst für den Donnerstag hat Kanzler Gerhard Schröder die Opposition – nicht ganz freiwillig – ins Kanzleramt eingeladen, doch schon jetzt überschlagen sich Politiker und Journalisten und produzieren Worthülsen, die selbst für die Verhältnisse des Berliner Betriebs ungewöhnlich sind.

KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

„Wer Reformen verweigert“, warnte eine Sonntagszeitung scharfsinnig, „steht am Ende als Blockierer da.“ Ein weiteres Blatt überraschte mit der Analyse, „die Bürger“ seien „das Taktieren endgültig leid“. Ein Scheitern des Gipfels, ergänzte schließlich die Bild-Zeitung in überaus origineller Wortwahl, wäre ein „Offenbarungseid“.

Ein Glück, dass wenigstens die Wähler vernünftig bleiben: 77 Prozent der Deutschen rechnen nach einer Umfrage nicht damit, dass das Treffen irgendein Ergebnis zeitigt. Schließlich ist am 22. Mai Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die wird, weil keine der beiden Volksparteien mit dem örtlichen Personal wirklich punkten kann, nach allgemeiner Ansicht in Berlin entschieden. Und weil die Deutschen nach Ansicht von Historikern stets solche Politiker bevorzugt haben, die für eine ordentliche Beschäftigungspolitik sorgen und im Zweifel auch nicht lange diskutieren, müssen sich die Parteien mal schnell als Arbeitsbeschaffer darstellen.

Ob bei dem Treffen irgendetwas Greifbares herauskommt, ist dabei gar nicht wichtig. Dass etwa eine Senkung der Unternehmensteuern kurzfristig wirklich Jobs schafft, dürften auch die Beteiligten bezweifeln. Entscheidend ist nur, wer als der größere Blockierer dasteht oder wem das Verdienst einer möglichen Einigung am ehesten zugerechnet wird. „Erfolg“ und „Scheitern“ sind für dieses Nichtereignis viel zu große Worte.

Am Ende könnte eine Einigung sogar gefährlicher sein als anhaltender Zwist. Wenn der kurzfristigen Wahlkampftaktik ein jahrelang vorbereitetes Antidiskriminierungsgesetz geopfert wird, wenn neuerlich eine kaum durchdachte Steuerreform durchgezogen wird, wenn eine Abschaffung der Eigenheimzulage nur für das Stopfen von Finanzlöchern herhalten muss statt für Investitionen in Bildung – dann wird es wohl doch wieder Zeit, den Fernseher einzuschalten.