vorgelesen
: Sammlung literarischer Fehltreter

Der klassische taz-Leser wird wohl über die Memoiren von Dieter Bohlen, Uschi Glas und Boris Becker lästern. Gelesen hat er diese Bestseller in der Regel kaum, ebenso wenig wie die Ergüsse aus den Federn des Körpersprachen-Experten Samy Molcho oder des im Knast gelandeten „Motivationspapstes“ Jürgen Höller.

Doch zum Glück gibt es Wolfgang Nitschke. Das Mitglied des legendären Köln-Bonner „3Gestirns“ betätigt sich seit der Auflösung des preisgekrönten Kabaretttrios als solistischer „Bestsellerfresser“. Regelmäßig veröffentlicht er seine Analysen literarischer Fehltreter in einem „Sammelband“. Jetzt ist „Bestsellerfressen IV“ erschienen.

Darin sind 47 Miniaturen über prominente (Möchtegern-)Autoren versammelt. Genau 15.973 Seiten Lektüre, so hat Nitschke zusammengezählt, erspart er damit dem Leser. Und der dürfte, wenn Nitschke ihm die Schwachstellen aufgezeigt hat, froh sein, dass ihm jemand die Arbeit abgenommen hat. Denn Nitschkes polemische Bemerkungen zu Jopie „Graf Danilo“ Heesters legen wie mit einem Skalpell die unkritische Seichtheit und Selbstverliebtheit des Operettenstars offen. Gleiches gilt für Helmut Kohls oder Josef Ratzingers Geschichtsklitterungen, T.T. Mundakels Hagiographie „Mutter Teresa“, für die Schriften von Daniel Küblböck, Roland Koch, Brigitte Bardot, Johannes Rau, Oriana Fallaci oder Wolfgang Joop.

Das alles liest sich gut, lässt oft bitter und befreiend auflachen. Doch einen typischen Mangel kann dieses Buch nicht verwischen: Es sind Niederschriften von Satiretexten, die zunächst für den mündlichen Vortrag geschrieben wurden. Manche saloppe Formulierung liest sich da nur einfach läppisch und albern oder gewollt witzig.

Bei Auftritten, etwa in der Kölner Comedia, ist das anders. Da kann Nitschke – und das tut er immer mit virtuoser Meisterschaft – die Spannungspausen vor den Pointen setzen, kann sich in Ton, Geste und Mimik entrüsten. Er grunzt, ist zynisch, schnippisch, hat ironische Untertöne. Nur eins ist dieses szenische Lesen nie: läppisch. Warten wir also gespannt auf seine nächste Tournee. Oder auf die nächsten Auftritte im WDR. JÜRGEN SCHÖN

Wolfgang Nitschke: „Bestsellerfressen IV – Solo gegen den Rest“. Edition Tiamat, 13 Euro, ISBN 3-89320-079-7