Taube Behörden

Tierschützer klagen darüber, dass Tauben auf fahrlässige Weise mit Nahrung versorgt und vergiftet würden, statt ihre Zahl mit behutsamen Methoden zu regulieren. Aus Gipseiern schlüpft kein Nachwuchs, auch wenn sie noch so intensiv bebrütet werden

300 Tonnen ätzenden Kots zerfressen Mauerwerk und korrodieren Metall

Von Gernot Knödler

Die einen schimpfen sie die „Ratte der Lüfte“, die anderen ziehen nachts los, um sie heimlich zu füttern: Bei keinem Federvieh scheiden sich die Geister so wie bei der Taube. Zwar dürfen Wirbeltiere nur in Ausnahmefällen getötet werden, wenn ein vernünftiger Grund dafür angegeben wird. Tierschützer jedoch befürchten, dass viele unerlaubterweise zu Gift greifen, um des vermehrungsfreudigen Vogels Herr zu werden. Damit es nicht so weit kommt, plädieren sie dafür, den Nachwuchs zu begrenzen. Durchsetzen konnten sie sich damit nicht. „Wir finden überhaupt keinen Anklang in den Behörden und bei der Politik“, klagt Siegfried Hellmig von der Initiative Stadttauben Hamburg.

Erst vor einem Monat haben Hellmig und seine Hand voll Mitstreiter in der Nähe eines Getreideverladebetriebs im Hafen 18 tote und weitere 15 schwer kranke Tauben gefunden. Ihr Verdacht: Diese Tiere und viele andere sind vergiftet worden. Zwei davon, erzählt Hellmig, lägen seit Wochen in der Pathologie, ohne dass ein Befund bekannt gegeben worden wäre. „Das dauert normalerweise ein paar Tage“, sagt er voller Misstrauen.

Für die Tauben sei das Gelände der Silofirma ein Schlaraffenland, denn beim Umladen falle so manches Körnchen auf die Erde. Hellmig will beobachtet haben, dass Getreidereste aus den Hallen einfach auf den Hof gefegt wurden und Lastwagen, die Körnchen, die der Sauger nicht erwischt habe, einfach auf den Boden kippten. In seinen Augen unterlaufen diese Unachtsamkeiten das zum 1. April 2003 vom Senat erlassene Fütterungsverbot. Hunderte von Tauben tummelten sich an diesem und ähnlichen Verladebetrieben. Voll gefressen machten sie sich in der Nachbarschaft breit. Hellmig: „Das Problem wird in anderere Viertel getragen.“

Zum Beispiel zu Blohm+Voss. Die Initiative Stadttauben bemüht sich, die Zahl der Tauben auf dem Werftgelände auf eine tierfreundliche Weise einzudämmen. Sie betreibt einen Taubenschlag, in dem die Vögel nisten und brüten können. Ab und zu ersetzen Hellmig und seine Kollegen befruchtete Eier durch Gipsattrappen. Der Nachwuchs, der pro Paar bis zu zwölf Junge pro Jahr stark sein kann, lässt sich auf diese Weise leicht begrenzen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Tiere das Taubenhaus annehmen und nicht durch ein üppiges Nahrungsangebot anderswo weggelockt werden.

Seit mehr als einem Jahr verhandele seine Initiative erfolglos mit der Silofirma, sagt Hellmig. Die Initiative sei mit all ihren Vorschlägen aufgelaufen. Hellmig: „Dass das nicht kostenlos ist, ist klar.“ Doch auch die Vergrämung der Tiere anderswo und die Beseitigung des Taubendrecks sei kostspielig.

25.000 Tauben leben nach Schätzung des Senats in Hamburg. Jedes Jahr scheiden sie rund 300 Tonnen ätzenden Kots aus, der Steine anfrisst, Metall korrodieren lässt und die Debatte über die Sauberkeit der Stadt anheizt. Immerhin gelten sie nicht mehr als Seuchenträger.

Ob das mit bis zu 5.000 Euro Bußgeld bewehrte Fütterungsverbot in Hamburg gefruchtet hat, ist ungewiss. Hellmig hält es für nicht durchsetzbar und fragwürdig. „Das einseitige Fütterungsverbot ohne Ausgleichsmaßnahmen ist nicht tierschutzgerecht“, findet er. Stadttauben seien verwilderte Haustiere und auf die Versorgung durch den Menschen angewiesen. Er redet stattdessen der Pille für die Taube das Wort. Doch der Widerstand gegen deren Einführung ist noch nicht überwunden.