Der Dreck kommt von hoher See

EU-Abgeordnete fordern eine drastische Reduzierung von Schwefel im Kraftstoff für Schiffe. Denn deren Sprit enthält 500-mal mehr Schwefel als der für Kraftfahrzeuge. Doch sauberer Diesel ist teurer als normaler – und die Lobby der Reedereien groß

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Schiffsmotoren sind Dreckschleudern: Sie pusten besonders viel Schwefeldioxid aus dem Schornstein – ein giftiges Gas, das die Lunge schädigt, Gebäude zerfrisst und Wälder durch sauren Regen sterben lässt. Der Schwefelgehalt im Schweröl, das die Schiffe tanken, soll nach dem Wunsch von EU-Parlamentariern gesenkt werden: von derzeit etwa 3 Prozent auf 0,5 Prozent. Heute berät der Umweltausschuss des Parlaments über eine entsprechende Gesetzesvorlage, die die grüne finnische Europa-Abgeordnete Satu Hassi formuliert hat.

Auch im gesamten Parlament, das im April darüber befinden wird, zeichnet sich eine Mehrheit für den strengen Grenzwert ab. EU-Kommission und EU-Umweltminister liegen mit dem Parlament bei der Binnenschifffahrt auf gleicher Linie. Für den inländischen Schiffsverkehr soll der Schwefelgehalt auf 0,1 Prozent gedrückt werden. Aber im internationalen Fährverkehr zwischen EU-Häfen und auf Nord- und Ostsee soll der Wert viel höher sein: 1,5 Prozent.

Wenn dies verwirklicht würde, wären in zwölf Jahren die Schiffe die größten Schwefeldioxidschleudern in Europa. Derzeit sind es noch die Kohle- und Ölkraftwerke. Doch dank Rauchgasentschwefelung und anderer Technik werden die immer sauberer.

Allerdings haben Reeder und Transportwirtschaft eine starke Lobby. Und der ist sauberes Schweröl zu teuer. Jetzt kostet eine Tonne Schweröl etwa 200 Dollar. Schwefelarmes würde 50 bis 90 Dollar pro Tonne mehr kosten. Technisch ist es kein Problem, in Raffinerien schwefelarmen Schiffstreibstoff herzustellen.

Bei Kraftstoffen für den Straßenverkehr ist diese Hürde längst genommen. Der maximale Gehalt bei Kfz-Diesel liegt bei 50 ppm (parts per million). Ab 2009 sind nur noch 10 ppm zulässig. Bei Schiffsschweröl liegt der Wert über 500-mal höher als bei Kraftfahrzeugdiesel.

Die schwedische Nichtregierungsorganisation „Secretariat of Acid Rain“ hat ausgerechnet, was der Vorschlag der EU-Parlamentarier von 0,5 Prozent Schwefelgehalt im Schweröl kosten und nutzen würde. Dabei standen die höheren Kosten für sauberes Schweröl den Einsparungen beim Gesundheitswesen und im Bausektor gegenüber. Fazit: Es ist in der Gesamtrechnung billiger, die scharfen Grenzwerte einzuführen. Und das, obwohl die Umweltkosten wie Waldschäden und die Restaurierung von hochrangigem Kulturerbe wie Kölner Dom oder Akropolis nicht einmal mit eingerechnet wurden.

EU-weit hat die schwedische NGO den Nutzen für das Jahr 2020 auf 12 Milliarden Euro berechnet bei Kosten zwischen jährlich 1,6 bis 5,4 Milliarden Euro – ein Kosten-Nutzen-Faktor zwischen 2,2 und 7,5. Am profitabelsten wäre die Schwefeldioxid-Reduktion für die Mittelmeerregion, die derzeit von der EU-Kommission ganz ausgeklammert ist. Es folgen nordöstlicher Atlantik, Nordsee und die Ostsee, die wegen dünn besiedelter nördlicher Anliegerstaaten „nur“ bei Faktor 2,8 landete.

Was diese Analyse vor allem wichtig macht, ist die Tatsache, dass die EU-Kommission und der Rat der Umweltminister die Parlamentsforderung nach drastischer Schwefelreduktion gerade mit Hinweis auf fehlende Kosten-Nutzen-Analysen abgewiesen haben.