Ständiger Steuer-Wettlauf mit der Slowakei

Um neun Prozent hat Österreich die Körperschaftsteuer gesenkt, vermutlich 870 Millionen Euro werden dem Finanzminister entgehen

WIEN taz ■ Seit dem 1. Januar liegt die Körperschaftsteuer in Österreich mit 25 Prozent fast auf dem Niveau seiner östlichen Nachbarn – sowie auch Deutschlands, mit dem Unterschied, dass Wien im Gegensatz zu Berlin keine Gewerbesteuer erhebt. Die österreichische Absenkung der Körperschaftsteuer von 34 Prozent bildet den Kernpunkt der Steuerreform 2005 und belastet das Budget im laufenden Jahr nach Schätzungen des Finanzministers mit 870 Millionen Euro, 2006 mit 670 Millionen Euro. Dieser Schritt soll die Abwanderung von Betrieben zu den östlichen Nachbarn verhindern. In der slowakischen Hauptstadt Bratislava, 60 Kilometer östlich von Wien, lockt ein allgemeiner Steuersatz von 19 Prozent. In Tschechien wird die Körperschaftsteuer schrittweise bis 2006 auf 24 Prozent gesenkt. Ungarn bietet noch weniger: 16 Prozent.

Ob die Reform sich belebend auswirkt, weiß man erst in einem Jahr genau. Erste Reaktionen waren unterschiedlich. Während Wirtschaftsvertreter voll des Lobes sind und die Konzernchefs weniger mit Abwanderung drohen, geißelt die Opposition die Bevorzugung des Großkapitals. Arbeitervertreter konstatierten, dass die reale Steuerleistung schon bisher nicht 34 Prozent, sondern nur 18 betragen habe. Durch zahlreiche Möglichkeiten und Ausnahmen wie etwa Verlustvorträge, Freibeträge, Investitionen, Abschreibungen, Übertragung sowie steuerliche Bewertungen können Unternehmen – im Gegensatz zu den Lohnsteuerpflichtigen – ihre Steuerleistung fast unbegrenzt nach unten drücken. Manager von Konzernen wie Salinen Austria, Eybl International und Lauda Air freuten sich über die Senkung der Körperschaftsteuer, erklärten aber, dass sie schon bisher keine gezahlt hätten.

Der „große Wurf“, als den die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kanzler Schüssel die Reform feiert, sei nur für Unternehmen „groß“, heißt es bei der SPÖ: „Kleine und mittlere Betriebe gehen leer aus.“ De facto werden transnationale Konzerne kaum noch Steuern zahlen, denn die so genannte Gruppenbesteuerung erlaubt es jetzt, Verluste von Auslandstöchtern mit Gewinnen im Inland gegenzurechnen. 80 Prozent der Unternehmen gehen jedoch leer aus, da sie klein bis mittelgroß sind und damit unter das Einkommensteuergesetz fallen.

Mit den Nachbarländern hat Österreich den Wettlauf um Steuersenkungen vorerst gewonnen. In diesem Punkte sei Österreich jetzt hochattraktiv. Das sagt zumindest eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG. Nur die Slowakei sei noch leicht im Vorteil. Für Verena Trenkwalder von der KPMG ist die Höhe des Steuersatzes jedoch allein nicht aussagekräftig: „Viel wichtiger für die Beurteilung ist die Bemessungsgrundlage, die in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist und zu unterschiedlicher Steuerleistung führt.“ Bei Produktionsbetrieben liegt Österreich laut KPMG gleichauf mit der Slowakei und klar vor Tschechien und Ungarn. Im Bereich Handel belege man hinter der Slowakei Rang zwei. RALF LEONHARD