Minister nah am Wasser

Heide Simonis findet in der EU-Verwaltung einen neuen Wirtschaftsminister für Schleswig-Holstein

Als „überraschend“ hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis den Ausstieg ihres bisherigen Wirtschaftsministers Bernd Rohwer (SPD) kurz nach den Landtagswahlen im Februar bezeichnet. Gestern überraschte sie mit einem Ersatz für Rohwer, der seinen Abschied verkündet hatte, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass eine große Koalition nicht zustande kommen würde, sondern SPD und Grüne sich als Minderheitsregierung vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) tolerieren lassen würde.

Paul F. Nemitz heißt Simonis’ Neuer, der eine Karriere in der Verwaltung der Europäischen Union in Brüssel hinter sich hat. Zuletzt war der Jurist mit SPD-Parteibuch Leiter der Rechtsabteilung der Generaldirektion Fischerei und führte zusätzlich seit November 2004 deren Arbeitsstab Meerespolitik.

Seine EU-Kontakte und Arbeitsschwerpunkte seien ausschlaggebend für ihre Entscheidung gewesen, so Simonis. Auch die guten Kontakte des 42-jährigen Beamten nach Dänemark seien ein Kriterium gewesen. Die SPD-Landtagsfraktion habe ihre Personalentscheidung „mit freudig erregtem Beifall“ zur Kenntnis genommen.

Kritik gab es erwartungsgemäß von den schleswig-holsteinischen Christdemokraten. Eine „viertklassige Besetzung“ sei Nemitz, befand CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen. Bei der Wirtschaft löste die Ernennung des im Land fast gänzlich unbekannten Juristen Nemitz Erstaunen aus. „Ein Schwerpunkt in Meerespolitik ist gut, aber es ist nicht alles“, hieß es aus einem großen schleswig-holsteinischen Unternehmen.

Nemitz soll morgen gemeinsam mit den anderen rot-grünen Ministern und Ministerinnen im Kieler Landtag vereidigt werden. Zuvor muss allerdings noch der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin gewählt werden. SPD und Grüne haben im Parlament gegenüber FDP und CDU zusammen mit den beiden SSW-Abgeordneten genau eine Stimme Vorsprung.taz / dpa