Konsequent unerbittlich

Gestern hat die niedersächsische SPD-Fraktion in Hannover ihren Kunstpreis an Marina Abramovic verliehen. Gewürdigt wurde damit das Lebenswerk einer Künstlerin, die Erfahrung mit dem öffentlichen Leiden hat

Am beeindruckendsten vielleicht ihr langer Marsch: Vom Gelben Meer aus machte sich Marina Abramovic auf eine tausend Kilometer lange Wanderung auf der chinesischen Mauer, und von der entgegengesetzten Seite kam ihr ihr Künstlerkollege und damalige Lebenspartner Ulay entgegen. Das war 1988. Das Wiedersehen der beiden nach dreimonatiger Wanderschaft war dann auch gleich der Moment ihrer Trennung. Eine in Kunst gefestigte Lebenspraxis, wobei die Performance-Künstlerin Marina Abramovic ihrem eigenen Körper immer höchsten Einsatz abverlangte. Beharrlichkeit, Konsequenz und Unerbittlichkeit könnte man als ihre Prinzipien ausgeben. Gestern bekam sie für ihr Lebenswerk den Kunstpreis der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag.

Hervorgegangen ist der mit 5.500 Euro dotierte Preis aus der Initiative „Künstler nehmen Stellung“, die sich Ende der 80er Jahre auf die Seite von Gerhard Schröder stellen wollte. „Kunst hat immer mit Kritik an der Gesellschaft zu tun“, sagt Ute Wormland vom Kulturreferat. Das entsprechende Parteibuch aber wird den Künstlern dabei nicht abverlangt. „Das wäre arg platt.“ Kein Förderpreis soll der Kunstpreis sein. „Sein Sinn ist, ein Lebenswerk zu würdigen“, und ein Bezug zu Niedersachsen muss auch gegeben sein.

Was dann durchaus ein wenig großzügiger ausgelegt werden darf. Denn als niedersächsische Künstlerin lässt sich die 1946 in Belgrad geborene, derzeit in Amsterdam lebende Marina Abramovic nun wirklich nicht vereinnahmen. Immerhin aber lehrte sie von 1997 bis vor kurzem Performance an der Braunschweiger Hochschule der bildenden Künste.

Immer wieder machte sie darüber hinaus auch Station im Land, wie es der Kunstbetrieb so mit sich bringt. Bei einer Retrospektive ihrer Arbeit im Kunstverein Hannover Anfang 2000 malte sie dabei mit Schweineblut auf eine Wand: „With a sharp knife cut / deeply into the middle / finger of the left hand / eat the pain.“ (Mit einem scharfen Messer schneide tief in den Mittelfinger der linken Hand und esse den Schmerz.) Solche Handlungsweisen hat die Performancekünstlerin nicht nur gefordert. Bei ihren Aktionen floss immer wieder ihr eigenes Blut. „Public Body – Artist Body“ nannte sich die Retrospektive. Marina Abramovic leidet öffentlich. Stellvertretend gibt sie ihren Körper preis. TM