Potemkinscher Primärhaushalt

Nach der Kanzlerbrief-Mogelpackung kommt jetzt die nächste Mogelei – sagt die Grüne Fraktionschefin Karoline Linnert im taz-Interview über die Sparbeschlüsse

taz: In diesen Tagen sind die Weichen für die Haushaltspolitik Bremens gestellt worden. Wie ist der Haushaltsausschuss daran beteiligt?

Karoline Linnert (Foto): Überhaupt nicht. Der Haushaltsausschuss des Parlaments bekommt nicht einmal offiziell die Unterlagen des Koalitionsausschusses.

Parlamentspräsident Christian Weber hat vor einiger Zeit erklärt, er wolle dafür sorgen, dass das Parlament wieder ernst genommen wird von der Exekutive.

Ich kann nur das Ergebnis bewerten. Die Abgeordneten der Koalition sind entweder einverstanden oder haben nicht den Mumm, sich zu wehren.

Die Sozialsenatorin hat in der vergangenen Woche noch im Senat erklärt, dass ihr im Etat 2005 9,6 Millionen Euro fehlen, die sie 2004 noch hatte.

Das interessiert da keinen. Der Koalitionsausschuss beschließt, dass sie bis 2009 weitere 25 Millionen Euro sparen soll. Ohne zu ahnen, was er da genau tut. In der langen Liste der Sparvorschläge war doch kein einziger wirklich neu, das waren doch in aller Regel Dinge, die in früheren Jahren mit guten fachlichen Gründen abgelehnt wurden. Die fachliche Beratung in den Deputationen hat sich der Koalitionsausschuss in seiner grenzenlosen Weisheit gespart.

Was kommt denn unter dem Strich bei den Beschlüssen des Koalitionsausschusses heraus?

Vieles sind ja nur Prüfaufträge. Soweit ich weiß, gibt es keine Berechnung der Effekte der beschlossenen Sparmaßnahmen. Ziel ist, bis zum Jahre 2009 einen „ausgeglichenen Primärhaushalt“ vorzulegen, Das ist ein neues potemkinsches Dorf wie die Sache mit dem Kanzlerbrief. Das Ziel ist gar nicht zu erreichen und schon gar nicht mit diesen Mitteln. Die Mogelei beginnt ja mit dem Nachtragshaushalt für 2005. Ich habe das noch nicht erlebt, dass ein Nachtragshaushalt freihändig im Koalitionsausschuss verhandelt wird. Die Ausgaben im Jahre 2004 lagen 30 Millionen Euro über dem Plan, die fehlen 2005 genauso, und die Koalition sagt jetzt: Wir beschließen den Nachtragshaushalt so, als gebe es da kein Problem.

Was bedeutet das?

Nach der Mogelpackung mit den Kanzlerbrief-Millionen kommt jetzt die nächste Mogelei. Im Herbst wird der Haushaltsausschuss dann feststellen, dass auch die korrigierte Fassung des Haushaltes 2005 nicht einzuhalten war. Fragen: kawe