„Ich kann Ihnen kein anderes Modell vorschlagen“

Der Koalitionsauschuss bestimmt in geheimer Sitzung den Kurs. Jurist Schefold: „Der Schutz vor der Staatsgewalt wird dadurch sehr niederschwellig“

Bremen taz ■ Der Koalitionsausschuss, bestehend aus den Bürgermeistern, den Partei- und Fraktionschefs von SPD und CDU sowie dem Chef der Senatskanzlei als Protokollführer hat jetzt die Folgen aus Bremens Finanzmisere verkündet. Ist das ein akzeptables Verfahren? Fragen an Dian Schefold (Foto), Professor für öffentliches Recht an der Universität Bremen.

taz: De facto werden weit reichende Einschnitte in den öffentlichen Haushalt von einem Gremium beschlossen, das von der Verfassung gar nicht vorgesehen ist. Was sagen Sie als Staatsrechtler dazu?

Dian Schefold: In der Tat werden die Entscheidungen des eigentlich zuständigen Parlaments sehr weit gehend antizipiert – was mit dem Ideal der Demokratie nicht viel zu tun hat, aber für ein parlamentarisches System kennzeichnend ist. Gerade bei solchen gravierenden Einschnitten wie den aktuellen ist der Schutz der Menschen vor der Staatsgewalt dadurch sehr niederschwellig.

taz: Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses werden über Parteikonferenzen und die Fraktionen ins Parlament durchgereicht und dort abgenickt.

Eben. Andererseits muss man sagen: Wenn ein Staat steuerungsfähig sein will, ist ein solches Verfahren das geringste Übel. Ich kann Ihnen kein anderes Modell vorschlagen.

Wir werden also nicht wie das alte Rom von einem Triumvirat regiert, aber von einem Septemvirat.

Wenn die Kompromisse erst im Parlament ausgehandelt würden, wäre die Einigungschance ungleich geringer.

Der Unterschied bestünde aber darin, dass das Parlament im Gegensatz zum Koalitionsausschuss öffentlich tagt.

Es gibt immer die starke Tendenz, den öffentlichen Abläufen informelle Gremien vorzuschalten. Vertrauliche Vorabsprachen sind nicht zu vermeiden.

Die Ausschussmitglieder entscheiden zum Teil frei von Sachverstand und geben das auch zu. Ist das förderlich?

Das ist unvermeidlich. Sachkompetenz und menschliche Interessen müssen unter den Gesichtspunkten der Kompromissfähigkeit abgewogen werden und damit letztlich zurückstehen. Wenn man alles sachlich Angemessene täte, müsste man Dinge tun, die man nicht finanzieren kann. Angesichts der extremen Situation der Knappheit, in der wir uns befinden, läuft es eher zu zimperlich: Die Kürzungen sind eigentlich viel zu gering.

Seit 1995 hat Bremen eine Regierung der 85 Prozent. Hat der informelle Herrschaftsanteil entsprechend zugenommen?

Gerade die überwältigende Parlamentsmehrheit einer großen Koalition, die sich der Allparteienregierung annähert, gibt der innerparteilichen Opposition größere Chancen, als wenn eine knappe Mehrheit strikte Fraktionsdisziplin erfordert. Andererseits ist auch die Schwere der jetzt zu treffenden Entscheidungen ein Argument dafür, alle innerparteilichen Widerspruchsversuche zu überstimmen.

Interview: Henning Bleyl