Rechnungshof rügt Verschleierungstaktik

Das Gerede vom „Primärhaushalt“ helfe nicht bei der Sanierung, sondern vertusche nur, wie weit Bremen vom Ziel eines sanierten Haushalts entfernt ist, kritisiert der Rechnungshof. Schlampereien im Senat kosteten Bremen Millionen-Summen

„Wir wissen alle, dass sich Bremen selbst nicht helfen kann“

Bremen taz ■ Schwere Vorwürfe gegen den Bremer Senat hat gestern der Rechnungshof in seinem Jahresbericht für das Jahr 2003 erhoben. Der Senat habe Investitionsausgaben in Millionenhöhe genehmigt, ohne zuvor deren Wirtschaftlichkeit zu prüfen, und das Parlament mit schöngerechneten Unterlagen getäuscht, kritisierte Rechnungshof-Präsident Lothar Spielhoff. Die so genannte Sanierungspolitik, die die SPD und CDU elf Jahre lang betrieben hätten, sei in allen wesentlichen Punkten gescheitert. Und die jüngste Erfindung der Bremer Zahlenakrobaten, der so genannte „Primärhaushalt“, der die von Bremen jährlich zu zahlenden Kreditzinsen einfach ausklammere, trage nicht etwa zur Sanierung des Bremer Haushaltes bei, sondern sei „eher geeignet, die Haushaltslage zu verschleiern“.

Spielhoff stellte die „Erfolge“ des Sanierungsprogramms den 1992 von Bremen selbst gesetzten Zielen gegenüber. Nicht mehr 24,7, sondern maximal 13,7 Prozent der Steuereinnahmen wolle man künftig für Zinsen ausgeben, hatte der Senat damals versprochen. Statt allerdings die Schulden deutlich zu verringern, nahm er noch mehr Kredite auf. Das Ergebnis: Bremen steht heute mit etwa 12,2 Milliarden Euro in der Kreide – drei Milliarden mehr als 1992. Und trotz extrem niedriger Zinsen und gestiegener Steuereinnahmen gehen noch immer 21,8 Prozent, also fast jeder vierte Steuer-Euro, für Zinsen drauf.

Ins Reich der Märchen verwies Spielhoff Meldungen von einem überproportionalen Wirtschaftswachstum an der Weser. Das Bremer Bruttoinlandsprodukt (BIP) habe sich im Sanierungszeitraum vielmehr schlechter entwickelt als der BIP-Durchschnitt aller alten Bundesländer.

Dem Wirtschaftsressort samt den dazugehörigen Gesellschaften weist der Rechnungshofbericht eine geradezu dilettantische Arbeitsweise nach. So sei das Siemens-Hochhaus im Jahr 2000 an einen Privatinvestor verkauft und anschließend für 30 Jahre wieder angemietet worden, ohne dass die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme zuvor auch nur überprüft worden sei. Bei der nachträglichen Untersuchung habe die Gesellschaft Bremer Immobilien (GBI) dann mit „unrealistischen“ Zahlen operiert, kritisierte Spielhoff. Real gerechnet sei Bremen durch die Aktion ein Schaden von 20 Millionen Euro entstanden.

Beim Umbau der Stadthalle hat das Wirtschaftsressort den ParlamentarierInnen, die dafür das Geld bewilligen sollten, nach Ansicht des Rechnungshofs wichtige Details vorenthalten und ihnen zudem die baulichen Alternativen nicht vergleichend gegenübergestellt. Eine Sanierung der Stadthalle wäre für 18 Millionen Euro zu haben gewesen, betonte Spielhoff. Den Teilabriss und Umbau zum AWD-Dome ließ sich Bremen 48 Millionen Euro kosten.

Ohne grundlegende Änderungen am System der Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern „wird Bremen nicht zu halten sein“, sagte Spielhoff. Er zweifele aber, ob eine Klage in Karlsruhe dafür das geeignete Mittel sei. Bremen solle verhandeln – und trotz der derzeit ausweglosen Situation selbst sparen. „Wenn wir in Bremen nichts tun, wird uns auch niemand anders helfen.“ Armin Simon