Hohe Belohnung auf Maschadows Kopf

Russlands Inlandsgeheimdienst will 10 Millionen Dollar gezahlt haben, um Tschetscheniens Präsidenten zu finden

BERLIN taz ■ Eine im vergangenen September ausgelobte Belohnung von 10 Millionen Dollar habe sie auf die Fährte von Tschetscheniens frei gewähltem Präsidenten Aslan Maschadow geführt, behaupteten Sprecher des russischen Inlandsgeheimdienstes Anfang dieser Woche in Moskau. Sie präzisierten nicht, von wie vielen Personen die Tipps stammten. Man sei bereit, sie fern von Tschetschenien in Sicherheit zu bringen.

Einen plausiblen Grund für die gezielte Beseitigung von Maschadow nannte Präsident Putins tschetschenischer Berater Aslambek Aslachanow am Montag vor Journalisten in Berlin. Man habe dadurch „vermutlich internationale Finanzströme stoppen wollen“, welche den tschetschenischen Separatisten zuflossen.

Anlass für Aslachanows Auftritt war ein Pressegespräch über die Konflikte im Kaukasus. Der 63-jährige Offizier des russischen Innenministeriums und Justizprofessor wirkte sichtlich unfroh. Maschadow sei für Sponsoren in aller Welt wie ein demokratisches Banner gewesen, das den tschetschenischen Terroristen ideologische Deckung verschaffte, meinte er. Als Abgeordneter in der Moskauer Duma hatte Aslachanow jahrelang versucht, ein Treffen zwischen Maschadow und dem russischen Präsidenten zu vermitteln: „Maschadow hat mir am Telefon mit ehrlicher Stimme gesagt: gib uns nur eine halbe Stunde unter vier Augen, und wir legen den Konflikt bei!“

Das Treffen scheiterte an Putins Bedingungen. Aslachanow erinnerte aber auch daran, dass der schlichte Separatist Maschadow gegenüber radikalen Islamisten immer wieder Konzessionen machte. So ließ er zum Beispiel die Scharia einführen, wonach auf den Plätzen Grosnys Menschen erschossen und Hände amputiert wurden.

Der Putin-Berater verbreitete die neue Version des Kreml über Tschetschenien: nie sei die Lage dort so normal gewesen wie nach Maschadows Tod. Tausende von Flüchtlingen seien zurückgekehrt, die Rechtsschutzorgane funktionierten wieder und mit den Parlamentswahlen im kommenden Herbst werde das Land in seinen „verfassungsmäßigen Rahmen“ zurückkehren.

Dass die Flüchtlinge aus ihren Lagern vertrieben wurden und die Verfassung von oben aufgezwungen wurde, verschwieg er. Dafür widersprach er sich selbst bei anderen Fragen. Heute verschwänden in Tschetschenien mehr Menschen spurlos bei Übergriffen der Milizen (der „funktionierenden Rechtsschutzorgane“), sagte er, als durch die Schuld russischer Soldaten.

Gut, dass ein so naher Berater des russischen Präsidenten sich über die Verhältnisse in Tschetschenien keine Illusionen macht. Immerhin hatte Maschadow ab Anfang Februar einen einseitigen Waffenstillstand bei den Feldkommandeuren durchgesetzt. Am vergangenen Wochenende haben diese den Eid auf Abdul Chalim Saidulajew als Maschadows Nachfolger abgelegt, den Vorsitzenden des Scharia-Gerichts, Trainer von Selbstmordattentätern und Organisator des radikalen islamistischen Untergrundes in anderen Teilen Russlands. Er wird sicher keine Waffenstillstände anbieten.

BARBARA KERNECK