Organspenden kommen aus dem Osten

Ostdeutsche sind überdurchschnittlich häufig zu Organspenden bereit. In Mecklenburg-Vorpommern wohnen die meisten Spender. Vermutete Ursache: In Ostdeutschland gibt es mehr große Krankenhäuser mit Maximalversorgung als im Westen

VON NADINE BÖS

Ostdeutsche Menschen sind erheblich häufiger zur Organspende bereit als Westdeutsche. Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern. Dort standen im vergangenen Jahr pro eine Million Einwohner 36,5 Spenderorgane zur Verfügung, viermal mehr als im Schlusslichtland Nordrhein-Westfalen. Das geht aus einer aktuellen Expertenanhörung vor der Enquetekommission Ethik und Recht der modernen Medizin hervor. Alle neuen Bundesländer liegen demnach in puncto Spendenbereitschaft über dem Bundesdurchschnitt.

In Deutschland sterben täglich zwei bis drei Menschen, während sie auf ein Spenderorgan warten. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) gibt es insgesamt dramatisch wenig postmortale Organspenden. Über eine Erklärung für die Diskrepanz der Spendenbereitschaft zwischen Ost und West streiten die Experten; eine repräsentative Studie fehlt bislang.

Dennoch kursieren etliche Thesen: „Religiöse Motive spielen durchaus eine Rolle“, sagte Michael Wunder, Psychologe und Mitglied der Enquetekommission der taz. In den neuen Bundesländern gehören weniger Menschen einer Kirche an. „Die Gegensätze zwischen Ost und West lassen sich so aber nicht hinreichend erklären“, glaubt der Experte. Sowohl die protestantische als auch die katholische Kirche haben sich offiziell dazu bekannt, dass die postmortale Organspende ein Akt der Nächstenliebe und zu befürworten sei.

Ähnlich wie Wunder, glaubt auch die DSO eher an institutionelle als an religiös-weltanschauliche Ursachen für das Phänomen. „Die Krankenhauslandschaft in den neuen Bundesländern unterscheidet sich erheblich von der in den alten“, sagte Heiner Smit, Vorstandsbevollmächtigter der DSO. In den ostdeutschen Bundesländern gibt es häufig große Krankenhäuser mit Maximalversorgung. „Dort kommen schlicht öfter Fälle auf den Intensivstationen vor, bei denen über Organspenden diskutiert wird.“ Kleinere Kliniken, wie sie in der Krankenhauslandschaft der alten Länder gang und gäbe sind, hätten dagegen kaum Erfahrungen, wie mit einem potenziellen Organspender und seinen Angehörigen umzugehen sei.

Nach dem Transplantationsgesetz sind Kliniken in Deutschland verpflichtet, hirntote Patienten an die DSO zu melden. Zweck dieser Regelung ist unter anderem, dass die DSO als Koordinationsstelle diese Fälle professionell managen soll. „Viele kleinere Krankenhäuser folgen dieser Meldepflicht jedoch nicht“, sagte Smit. Der DSO-Experte vermutet, dass kleine Kliniken, in denen keine Patienten auf Organtransplantationen warten, auch eine geringere Spendebereitschaft zeigen. „Das Bewusstsein ist dort nicht so geschärft, und so mancher Fall fällt unter den Tisch.“