Viele Daten, viele Probleme

Landesdatenschützer legen Jahresbericht 2004 vor. Fazit: Neue Technologien stellen die Hüter des Persönlichkeitsschutzes vor neue Herausforderungen. Problemfall: der gläserne Konsument

VON FELIX LEE

Mit dem Wireless Lan ist es so eine Sache. Einerseits kennt diese drahtlose Form der Kommunikation keine räumlichen Barrieren. Ausgestattet mit einem Laptop und der entsprechenden Funkverbindung kann der Nutzer selbst bei geschlossener Tür auf dem Klo seine E-Mails checken. Andererseits ist es auch für den Hacker von nebenan leicht möglich, mit nur ein wenig technischem Know-how mal eben im laufenden Online-Banking dazwischenzufunken.

Gestern hat der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka den Jahresbericht 2004 vorgestellt. Und wieder einmal enthält der 180-seitige Wälzer zahlreiche Beispiele, bei denen bestehende Schutzbestimmungen gnadenlos ignoriert wurden. Die Verstöße reichen von den Anträgen für Hartz IV, in denen persönliche Angaben verlangt und bundesweit gespeichert werden, die für die Bearbeitung nicht erforderlich sind, über das heimliche Mithören von Telefonaten bei Kunden der Deutschen Bahn – angeblich zur heimlichen Qualitätskontrolle – bis hin zum gechipten Hund. Im Rahmen der neuen Tierverordnung muss seit vorigem Jahr jeder Hundehalter seinem Tier einen Chip implantieren, mit dessen Hilfe Herrchen und Frauchen jederzeit aufzufinden und identifizierbar sind. „Da eine immer geartete zentrale Registratur nicht vorgesehen ist, läuft die Chippflicht ins Leere“, sagte Garstka. Der Missbrauch sei damit vorprogrammiert.

Für überzogen hält der Hüter des Datenschutzes zudem die Praxis beim Verkauf der Tickets für die Fußball-WM 2006. Käufer müssten personenbezogene Daten angeben, die anschließend mit Polizeiregistern verglichen werden. Zum einen soll damit verhindert werden, dass der Käufer sein Ticket für teures Geld auf dem Schwarzmarkt verhökert. Zum anderen soll gewaltbereiten Fans der Zugang zu den Stadien verweigert werden. Zu viele Angaben, die abgefragt werden, findet Garstka. Er dringt auf Änderungen.

Mussten sich die Datenschutzbeauftragten bis vor wenigen Jahren vor allem mit dem „Überwachungsstaat“ beschäftigen, verlagern sich die Probleme zunehmend in den privatwirtschaftlichen Bereich. So enthält der Datenschutzbericht zahlreiche Beiträge, die sich mit dem gläsernen Konsumenten beim Online-Shopping abgeben, mit dem Missbrauch bei der Erfassung des Nutzerverhaltens im Internet oder der Kaufhausüberwachung. Große Sorge bereitet den Datenschützern vor allem die Ausweitung der so genannten RFID-Technologie. Bisher lösten diese Magnetstreifen oder Chips am Kaufhausausgang Alarm aus, wenn die Ware nicht entsichert wurde. Die Entwicklung könnte so weit gehen, dass die Chips auch außerhalb der Kaufhäuser Daten versenden. Erworbene Produkte können somit weltweit einzelnen Personen zugeordnet werden.

Im Jahresbericht ist zudem von Diskotheken die Rede, in denen sich Stammgäste von einem Arzt einen Chip in den Arm implantieren lassen, der dann als unsichtbare Eintrittskarte und gleichzeitig als bargeldloses Zahlungsmittel an der Bar genutzt werden kann.

Der gläserne Mensch, vor 20 Jahren noch der Albtraum des Orwell’schen Big-Brother-Staats, scheint in Zeiten von Handys, Mikrochips und GPR langsam Realität zu werden. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum in den vergangenen Jahren die Bedeutung des Datenschutzes gewachsen ist, glaubt Garstka. Das Bewusstsein der Bürger für die Bedeutung des Datenschutzes sei in den vergangenen Jahren zumindest „stark gestiegen“. Und damit das Image seines Jobs.