Mauerkreuze
: Der Prozess

Morgen ist es mal wieder so weit: Alexandra-Hildebrandt-Festspiele im Landgericht am Tegeler Weg! Die Chefin des Mauermuseums „Haus am Checkpoint Charlie“ muss ihr „Freiheitsdenkmal“ am ehemaligen Alliierten-Kontrollpunkt zwischen Ost- und Westberlin vor Gericht verteidigen. Über die rekonstruierte Mauer, die hier in dieser Form nie stand, und den theatralischen Kreuzwald wird vor der 29. Kammer Recht gesprochen. Es geht um eine Räumungsklage der Bankaktionsgesellschaft Hamm (BAG), die das Areal am Checkpoint Charlie bis Jahresende 2004 an Hildebrandt verpachtet hatte. Seit der Kündigung des Pachtvertrags durch die BAG steht die Installation widerrechtlich dort – meint die BAG.

Tatsächlich werden in Justizkreisen die Chancen für Hildebrandt und ihr Privatdenkmal als denkbar schlecht eingestuft. Der Pachtvertrag wurde fristgerecht gekündigt, und zwar schon vor Errichtung des „Freiheitsdenkmals“, wie die BAG bereits Ende vergangenen Jahres klarstellte. Außerdem: „Frau Hildebrandt war von Anfang an bewusst, dass es sich bei der Befristung des Pachtvertrags bis zum 31. 12. 2004 um ein abschließendes Datum handelt“, so die BAG. Der Pachtvertrag ist eine ganz normale private Übereinkunft, für die eine Berufung auf die Grundrechte, etwa die Kunstfreiheit, kaum tragbar sein dürfte. Außerdem: Ist dies überhaupt Kunst?

So ist davon auszugehen, dass das Gericht nicht mehr als den morgigen Verhandlungstag braucht, um zu einem Urteil zu kommen. Genauso erwartbar ist aber auch, dass Hildebrandt ein negatives Urteil kaum sofort akzeptieren, sondern wohl Rechtsmittel einlegen wird – dann würde das Verfahren in der nächstmöglichen Instanz behandelt, dem Kammergericht. Hildebrandt verkündet öffentlich, sie glaube an einen Sieg vor Gericht und wolle „weiter kämpfen“. Schon jetzt überweist sie monatlich satte 14.500 Euro an Pacht für die Nutzung des 5.717 Quadratmeter großen Areals links und rechts der Friedrichstraße.

Dort stehen ebenso viele Kreuze, wie nach Berechnungen des Hauses Hildebrandt Menschen bei der Flucht in den Westen über die innerdeutsche Grenze gestorben sind – genau 1.065. Es ist politisch schwer vorstellbar, dass auch bei einer gerichtlichen Niederlage Hildebrandts bald tatsächlich Bagger an diesem historischen Ort anrollen, um die Kreuze und die pseudoauthentische Mauer gegen den Willen der Mauermuseums-Chefin und der SED-Opfer abzureißen. Nötig wäre eine Übereinkunft mit Hildebrandt und Co., was stattdessen am Checkpoint Charlie stehen soll. Das ist unwahrscheinlich. So oder so bleibt zu fordern: Tear down this wall! PHILIPP GESSLER