italien verlässt irak
: Altes Italien, neues Europa

Zwei Dinge kann Silvio Berlusconi besonders gut: Kreise in Quadrate verwandeln – und dafür auch noch den idealen Zeitpunkt ausmachen. Diese doppelte Demonstration lieferte er jetzt wieder ab mit seiner Mitteilung, Italien werde sich aus dem Irak zurückziehen. Italien geht raus – aber nur aus dem Irak.

KOMMENTARVON MICHAEL BRAUN

Keine Spur der Polemik gegen die USA war in Berlusconis Worten, keine Spur der Besinnung und Selbstkritik. Im Gegenteil: Berlusconi verkauft den Rückzug als Vollendung des Mandats. Italien gehe, wenn die Iraker in der Lage seien, ihre Sicherheit selbst zu gewährleisten. Berlusconi widerspricht seinem eigenen Argument aber nicht nur, weil er jetzt schon weiß, dass das „ab September“ der Fall ist. Wie katastrophal es um die Sicherheit bestellt ist, tat Berlusconi selbst ja erst letzte Woche kund: „Keinesfalls“ sollten Italiener ihren Fuß in den Irak setzen, weil sie dort Kopf und Kragen riskierten.

Italien geht genau aus diesem Grund: Berlusconi will sich das unkalkulierbare Risiko weiterer dramatischer Ereignisse wie zuletzt der Erschießung des Geheimdienstmannes Nicola Calipari ersparen. Zugleich aber will er mit den USA nicht brechen, will er sich nicht als zweiter Zapatero präsentieren.

Ehrlicher war deshalb Berlusconis zweite Auskunft: Die „öffentliche Meinung“ lasse ihm leider keine Wahl. Italiens Bürger werden in gut zwei Wochen quer durchs Land neue Regionalparlamente wählen, und Berlusconi riss jetzt mit seiner Rückzugsankündigung geschickt die Initiative an sich. Die Opposition freut sich zähneknirschend – und ärgert sich zugleich über das „zynische Wahlkampfmanöver“ Berlusconis, wohl wissend, dass Italiens Rückzug aus dem Irak der Linken auch ein zentrales Wahlkampfargument bei den Parlamentswahlen 2006 wegnähme. Berlusconi kann so Bush gegenübertreten und behaupten, gerade mit dem italienischen Rückzug werde ein Wahlsieg der Linken und damit ein Abdriften Italiens ins französisch-deutsche Lager verhindert. Doch so groß der innenpolitische Nutzen ist, der Berlusconi aus seinem Schachzug entsteht, so gewiss ist auch der außenpolitische Preis.

Zapatero machte sich mit dem spanischen Rückzug bei Bush herzlich unbeliebt, doch zugleich erreichte er eine Aufwertung Spaniens in Europa. Berlusconi darf nur eine Abwertung des italienischen Gewichts in Washington erwarten, ohne doch sein Land in Europa neu zu positionieren.