Erste Bienenstich-Liga

Thomas Berthold geht, Reiner Calmund kommt. Drittligist Fortuna Düsseldorf erlebt eine turbulente Woche

DÜSSELDORF taz ■ Es ist ein ehernes Gesetz des unterklassigen Fußballs. Je tiefer ein Verein sinkt, desto chaotischer und garstiger geht es im Umfeld des Clubs zu. Fortuna Düsseldorf, Deutscher Fußball-Meister 1933 und zweifacher DFB-Pokalsieger, macht dies derzeit eindrucksvoll vor. Fast acht Jahre nach dem Abstieg aus der Bundesliga ist der Verein an einem gewissen Tiefpunkt angekommen. Sportlich gehören die Rot-Weißen zum Tabellenmittelfeld der Regionalliga Nord. In punkto unfreiwillige Komik ist die Fortuna dagegen Spitze. Eine Wochenchronik:

Montag: Fortuna lässt seinen „General Manager“ Thomas Berthold gehen. Über die Hintergründe der Trennung macht der Club zunächst keine Angaben.

Dienstag: Berthold verklagt die Fortuna. Laut einer Mitteilung des Arbeitsgerichts Düsseldorf erhebt der gescheiterte Ex-Profi Ansprüche auf Zuschauereinnahmen von knapp 110.000 Euro. Außerdem verlange der Weltmeister von 1990, der sein Amt bei der Fortuna im Juli 2003 angetreten hatte, für seine Ehefrau Schadensersatz von 105.000 Euro. Berthold sieht den Club verpflichtet, „seiner Ehefrau eine angemessene Arbeitsstelle als TV-Moderatorin anzubieten“. Nebenbei wird bekannt, dass Ex-Leverkusen-Manager Reiner Calmund für den Fortuna-Aufsichtsrat kandidieren soll.

Mittwoch: In der Lokalpresse wehrt sich der Verein gegen Berthold. Fortuna-Anwalt Frank Palmer sagt, man habe Bertholds Frau Britta eine Moderatoren-Tätigkeit beim Düsseldorfer Shoppingsender QVC vermitteln wollen. Dieses Angebot habe Berthold abgelehnt. Beim Sender weiß man jedoch auf taz-Anfrage nichts von dem geplanten Moderatoren-Deal. Der Versuch, Frau Berthold bei der ARD unterzubringen, ist später angeblich an ihrem Alter gescheitert. Erstmals wird eine Begründung für Bertholds Entlassung genannt: Spesenbetrug. 104 Euro soll der „General Manager“ für ein angebliches Geschäftsessen am 11. August 2003 im Restaurant „Thai Ban“ in Stuttgart abgerechnet haben. Fortuna-Anwalt Palmer sagt zum Express die denkwürdigen Sätze: „Ich habe eine intensive Spesenkontrolle vorgenommen. Dabei ist mir ein sehr unterschiedliches Alkohol- und Essverhalten aufgefallen. Mal gab es nur Mineralwasser, mal wurde richtig viel gesoffen.“ Der Jurist beruft sich auf das so genannte „Bienenstich-Urteil“ des Bundesarbeitsgerichts. Der Rechtstreit von 1984 drehte sich um eine Konditorei-Verkäuferin, die von einem Bienenstich genascht hatte und entlassen worden war.

Immer noch Mittwoch: Ein erster Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf endet ergebnislos. Falls es nicht zuvor doch noch zu einer außergerichtlichen Einigung kommt, ist für Ende Juni ein Kammertermin angesetzt. „Wir versuchen, die Kuh vom Eis zu kriegen“, so Anwalt Palmer zur taz.

Der Unmut der Fortuna-Fans ist derweil groß. Der harte Kern der Anhänger hatte den arrogant auftretenden Manager Berthold wegen seines hohen Gehalts stets als „Abzocker“ beschimpft und sieht sich nun durch die Klage des Geschassten bestätigt. Besonders sauer sind die Supporter auf Düsseldorfs CDU-Oberbürgermeister und Fortuna-Aufsichtsratschef Joachim Erwin, der nun auf der nächsten Mitgliederversammlung gestürzt werden soll. Bertholds Verpflichtung hatte vor eindreiviertel Jahren OB Erwin verkündet, dessen großspurige Pläne mit der 219-Millionen-Euro-teuren LTU-Arena nur mit Profifußball in Düsseldorf aufgehen dürften. Berthold wollte spätestens 2006 den Aufstieg in die 2. Bundesliga schaffen. Statt dessen spielt Fortuna juristisch in der ersten Bienenstich-Liga. MARTIN TEIGELER