SPD feierte ihre Erfolge in der Koalition

Auf dem Landesparteitag präsentierte sich die SPD-Spitze kämpferisch. Fraktionschef Jens Böhrnsen hält den „sozialdemokratischen Kompass“ für wichtiger als einen ausgeglichenen „Primärhaushalt“. Henning Scherf erntete viel Kritik und wenig Beifall

„Henning Scherf, es tut weh, wie übel Du die Bediensteten beschimpfst.“

Bremen taz ■ Ernsthafte Sorgen hatte wohl niemand, der SPD-Landesparteitag am Mittwochabend könne die Verhandlungsergebnisse des Koalitionsausschusses ablehnen. Der Weg sei alternativlos, hatte der Landesvorsitzende Carsten Sieling eingangs noch zur Rechtfertigung gesagt. Am Ende von drei Stunden Debatte war die Stimmung dann geradezu euphorisch. „Diese Partei ist das Herz von Bremen und das Herz schlägt links, Genossinnen und Genossen“, rief Sieling in den Saal.

Wie war solch ein Stimmungsumschwung möglich? Der Rechnungshof bringe die Lage „in der Tat auf den Punkt“, hatte Sieling seine Rede begonnen. Auch die Sozialsenatorin und der Bildungssenator würden sich den Sparzwängen stellen, aber da habe die SPD doch Ausnahmen durchgesetzt. Und die Beschlüsse des Koalitionsausschusses seien nicht mehr als „Eckpunkte, die jetzt in die breite Beratung“ gehen müssten. Die SPD müsse sich als Partei „Spielräume vorbehalten“. Vor dem dunklen Hintergrund hoben sich kleine Zugeständnisse umso deutlicher ab. Bei der Gewoba wurde Sieling sehr klar: „Die Gewoba wird nicht verkauft.“ Sieling machte deutlich, dass die SPD-Verhandler gerungen haben – und strich bei den Punkten, bei denen es keine Beschlüsse gegeben hatte, die sozialdemokratische Position heraus.

Wer von Bürgermeister Henning Scherf klare Angaben über die Richtlinien der Politik in den kommenden Jahren erwartet hatte, der musste enttäuscht sein. Scherf beendete seine Rede mit Sätzen über die „neue Chance“, die „neue Hoffnung“, die „neue Perspektive“. Sehr verhaltener Beifall.

„Henning Scherf, es tut weh, wie übel Du die Bediensteten immer wieder beschimpfst“, konterte Marita Rosenow, die Verdi-Chefin. Der Senat sei tarifbrüchig geworden und suche eine „Machtprobe“ mit den Gewerkschaften – „wir werden dem Druck standhalten“. Verhandlungen über den Solidarpakt werde es nicht geben, solange Bremen tarifbrüchig sei. – Beifall.

Richtig herum riss die Stimmung dann die Delegierte Brigitte Grziwa. Sie ist die Verkörperung der sozialdemokratischen Seele, arbeitet in Tenever im Sozialbereich. Eine „Mogelpackung“ sagt sie, sei das Gerede von der kinderfreundlichen Politik, wenn in den Kitas Jahr für Jahr Personal abgebaut werden müsse. Heute schon dürfe man für das Kind einer geistig behinderten Mutter kein 8-stündiges Ganztags-Angebot machen – das gebe es nur für berufstätige Mütter. „Die Realität vor Ort ist so heftig“, meinte sie. Elternarbeit gerne – aber nicht Ersatz für eine pädagogische Fachkraft. Die Sozialdemokratie müsse für Karin Röpke kämpfen, forderte sie unter großem Beifall.

Der Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen nahm den Ball auf. Wie es denn komme, dass von einer Woche auf die andere eine „Zäsur“ diskutiert werden müsse, fragte er. Selbst das böse Wort vom „Kanzlerbrief“ nahm er in den Mund. „Vieles wurde rosarot gerechnet wenn es drum ging, Millionen auszugeben.“ 12,2 Millionen Euro Schulden – aus dieser desaströsen Lage, so Böhrnsen, „können wir uns allein nicht befreien“. Der „Primärhaushalt“ sei ein „schöner Begriff“, der aber den „sozialdemokratischen Kompass“ nicht ersetze. Um den gehe es jetzt. Zum Beispiel in den Kitas: „Wir werden die Standards in Versorgung und Qualität garantieren“, versprach er. Die SPD-Fraktion werde „sozialdemokratische Stärke“ zeigen und „Karin unterstützen, wenn sie Dinge für nicht verantwortbar hält“.

Das hörten die Delegierten gern und spendeten großen Beifall. „Die Partei ist wieder da, das war einige Zeit etwas anders“, bemerkte Ex-Bürgermeister Klaus Wedemeier erfreut. kawe