Die Große Maschine

AUTOMATISIERTE PROZESSE Der Stuttgarter Künstleringenieur Peter Schmidt baut eine Modellfabrik – und spricht mit Friederike Habermann über die Tücken der gegenwärtigen und künftigen Arbeitswelt

Die großformatigen Fotografien der kleinen Modelle erzeugen eine beklemmende Stimmung und wirken derart real, dass sie das Modell zu einer Abbildung einer heimlich abgelichteten Wirklichkeit werden lassen

Auf den ersten Blick ist es eine überaus genaue Darstellung eines automatisierten Produktionsprozesses in der Automobilindustrie. Der Stuttgarter Künstleringenieur Peter Schmidt hat in einem Modell (Maßstab 1:87) eine Fabrik mit Tücken erschaffen: Auf der einen Seite werden Autos produziert, kurz danach auf der anderen Seite der Montagestraße wieder demontiert, ein ewiger sinnloser Kreislauf, und das auf höchstem technischem Niveau.

In der gesamten Fertigung ist nicht ein Arbeiter zu sehen – dafür umso mehr Herren in dunklen Anzügen, die Diskussionen und Führungen abhalten. Doch die Menschen sind vom Joch der Arbeit nicht befreit: In einer Ebene unterhalb der eigentlichen Produktion, dort, wo die Energie zur Verfügung gestellt wird, schuften sie an den Heizkesseln und der Wartung der Anlagen. Die großformatigen Fotografien der kleinen Modelle erzeugen eine beklemmende Stimmung und wirken derart real, dass sie das Modell zu einer Abbildung einer heimlich abgelichteten Wirklichkeit werden lassen.

„Es gibt keine Inseln im Falschen“, so die Autorin Friederike Habermann in ihrem jüngsten Buch „Halbinseln gegen den Strom“. Nur „Halbinseln“ jenseits der „Maschine Kapital“. Als Auftakt zu den Linken Buchtagen diskutierte sie gemeinsam mit Peter Schmidt zur Eröffnung seiner Ausstellung die zukünftige Arbeitswelt und mögliche Alternativen zum „automatischen Subjekt“ (Karl Marx).

Aus der Antike stammte die Vorstellung von der Welt als Maschine („Machina Mundi“), in der der Mensch aufgehoben war. Sie war noch nicht von Menschen gebaut, sondern naturgegeben, ihr Zweck noch nicht das Perpetuum mobile. Der Leibnizianer Christian Wolff definierte dann 1719: „Eine Maschine ist ein zusammengesetztes Werck, dessen Bewegungen in der Art der Zusammensetzung gegründet sind.“ Die ganze Welt war eine Maschine, die einem Uhrwerk glich. Die Arbeiter in der „Großen Maschine“ von Peter Schmidt sind nun gefangen in einem Prozess, der nicht mehr sichtbar ist und wohl auch nicht mehr notwendig. Das Bild ist verstörend, weil es an die frühindustrielle Produktion erinnert und zugleich die Zukunft vorwegzunehmen scheint. Handelt es sich doch nur um die stark verkürzte Verwertungskette zwischen Autoproduktion und Abwrackprämie. Nach der jüngsten Autokrise wäre noch eine gegen Null gehende Verwertungskette denkbar, in der gegen staatliche Prämie gar nicht mehr produziert würde.

In allen Arbeiten Peter Schmidts geht es um das, was unterhalb der schönen Konsumwelt geschieht. In seinem Modell „Putzmunter“ (2007) stellte er akribisch genau die nächtliche Arbeitswelt von Putzkollonen nach, die den Angestellten dieser Büroetagen niemals begegnen. In weiten Räumen unter dem „Sportplatz“ (2006), auf dem ausgelassen Fußball gespielt wird, postieren sich Hundertschaften militärisch ausgestatteter Sicherheitskräfte mit Panzern für den anstehenden Einsatz.

Ähnlich wie in zahlreichen Werbevideos produzierender Unternehmen sind auch die Handarbeiter in der „Großen Maschine“ unsichtbar geworden – scheinbar wird alles automatisch produziert. Unterhalb der Hightech-Ebene findet eine „unterentwickelte“ Form der Arbeit statt, die sich für diese „Zirkulationssphäre“ noch zu rechnen scheint. ANTONIA HERRSCHER

■ Peter Schmidt, „Die Große Maschine“. Ausstellungen: 10. bis 11. Juli im Mehringhof, 12. Juli bis 13. August im Tante Horst, Oranienstraße 45 ■ Friederike Habermann: „Halbinseln gegen den Strom. Anders leben und wirtschaften im Alltag“. Ulrike-Helmer-Verlag 2009, brosch., 180 S., 18,95 €