Instrument der Hölle

Beim Wassermusik-Festival im Haus der Kulturen der Welt wird in diesem Jahr ganz besonders ein Instrument präsentiert, an das man sich erst wieder gewöhnen muss. Wenn man es, mit dem handelsüblichen Pop geschult, überhaupt an sich heranlassen will. Das Akkordeon. Wird auch Quetschkommode, Zerrwanst oder Tretschrank genannt, und an diesen Wörtern mag man bereits hören, dass viele dieses Instrument bestenfalls als einen musikalischen Witz betrachten.

Spott aber ist es gewohnt, das Akkordeon. Da gibt es zum Beispiel diesen zweigeteilten Cartoon vom „The Far Side“-Zeichner Gary Larson. Oben heißt es „Willkommen im Himmel, hier ist deine Harfe“, unten hören die traurigen Tröpfe ein „Willkommen in der Hölle, hier ist dein Akkordeon“. Historisch abgesichert ist solcher Hohn durch den Karikaturisten Honoré Daumier, der Mitte des 19. Jahrhundert das damals noch recht junge Instrument mit einem bösen „Man hat noch nicht das Recht, die Menschen zu töten, die dieses Instrument spielen, aber es gibt Hoffnung, dass wir es bald bekommen werden“ bedachte.

Das ist nun ein Hass, dem man doch nur seinesgleichen gönnt. Das Akkordeon. Es braucht Luft zum Atmen. Wie ein Mensch. Es ächzt und schnaubt, es wimmert und greint, es kann jammern und juchzen. Es schreit. Und singt. Wie der Mensch, der es in seinen Händen wiegt, hier heutzutage nicht mehr so häufig, wie das mal der Fall war, als man ohne Mühe einen exzellenten Akkordeonspieler für seine Band haben konnte, aber kaum einen nur halbwegs brauchbaren Gitarristen, Anfang der Sechziger, als mit dem Beat die Gitarre zum Signetinstrument der Popmusik aufstieg. Das Instrument des Jazz ist das Saxofon. Das der, tja, Volksmusik ist das: Akkordeon. In seiner Janusköpfigkeit kann das aber heimattümelnd sein oder offener, weltmusikalisch. Kommt darauf an, von welcher Seite des Balgs man zieht.

Als klassisches Rumtreiberinstrument ist das Akkordeon längst in der ganzen Welt zuhause. Mit ihm an der Hand lassen sich Migrationsrouten nachzeichnen, die Seeleute nahmen das Schifferklavier aus Europa mit in die Häfen in Übersee, und mit den Emigranten wurde es in neuen musikalischen Umgebungen heimisch. Und jetzt kommt das Instrument eben wieder zurück in die Heimat, als musikalisch neu aufgeladener Re-Import. Die vom Akkordeon angetriebene Cajun- und Zydeco-Musik aus Louisiana, brasilianischer Forró und natürlich der argentinische Tango. Alles zu hören beim Wassermusik-Akkordeon-Festival, bis 25. Juli im Haus der Kulturen der Welt. THOMAS MAUCH

■ Programm: www.hkw.de